kompetenz wasser | November 2024 | Abwasserversorgung bei Blackout und Stromausfall? meist von kurzer Dauer und lokal verortet sind. Beim Blackout wiederum gibt es langanhaltend und überregional, sprich deutschlandweit oder über mehrere Länder hinweg, keinen Strom. Welche Risiken und Gefahren können auftreten, wenn die Abwasserent sorgung während eines Stromausfalls nicht sichergestellt ist? L. F.: Bei Risiken wird generell in vier Kategorien unterschieden, dazu zählen neben Personen- und Umweltschäden das Risiko monetärer Schä- den an Sachanlagen sowie die Auswirkungen auf Fremdanlagen. Wie wird die Notstromversorgung im Kontext der Abwasserentsorgung eigentlich definiert? Welche Maßnahmen müssen in einem Notfallplan für einen Stromausfall gemäß DWA M320 enthalten sein? L. F.: Das ist die Frage. Prinzipiell müssen wir die Abwasserableitung und -reinigung sicherstellen. Dabei ist jedoch nicht definiert, wie oder wie lange wir die Abwasserentsorgung aufrechterhalten müssen. Nichtsdes- totrotz haben Betreiber die Aufgabe, Abwasser nach den gesetzlichen Anforderungen zu reinigen und sich gegen Gefahren wie etwa Stromaus- fälle zu schützen. Wie hoch die Resilienz des Unternehmens gegenüber diesem Risiko ist, hängt von den individuellen Schutzzielen ab – nach M320 können diese nämlich je nach Unternehmen unterschiedlich aus- fallen, ebenso wie die Entscheidung, wie viel Restrisiko bleiben soll. Was wären denn aus Ihrer Sicht absolute „Must Haves“? L. F.: Für den Notfall sollte eine Einschaltreihenfolge vorhanden sein, wie der Notbetrieb ablaufen soll. Es sollte ebenfalls klar sein, welche Perso- nen benötigt werden und wie die interne und externe Kommunikation innerhalb einer Krise funktionieren. Hier wird das Vorgehen nach den fünf Phasen der Risikoanalyse empfohlen. Kommen wir zur Praxis: Wie haben Sie das GKW Stammheim im Vorfeld des Notstromtests vorbereitet? J. V.: Grundsätzlich ist das GKW Stammheim mit den unterbrechungsfrei- en Stromversorgungen für das Leitsystem sowie einem Dieselaggregat seit vielen Jahren notstromfähig. Die Funktionalität ist aufgrund von Umbauten und Veränderungen der Anlage jedoch nicht mehr stabil. Die- se Probleme standen daher im Fokus der Vorbereitung. Zudem haben wir analysiert, welche Anlagenteile wir tatsächlich in kurzer Zeit betreiben wollen. Eine Schlammentwässerung beispielsweise ist gegenüber der Abwasserreinigung immer nachrangig. Wie wird mit Anlagenteilen verfahren, die im Notstromfall nicht versorgt werden, sind dafür Alternativmaßnahmen vorgegeben? J. V.: Wir haben uns damit auseinandergesetzt, dass wir die Kläranlage schrittweise hochfahren. Eine große Herausforderung war dabei die Kühl- wasserversorgung. Unsere Motoren benötigen Kühlwasser aus der Brun- nenanlage. Im weiteren Verlauf brauchen die Verdichter für die Belüftung Kühlwasser aus dem Kläranlagenablauf. Das heißt, für mehr Kühlleistung muss Wasser gereinigt werden, eine iterative Vorgehensweise. Die großen Verdichter können aufgrund der Spannungsspitzen nicht angefahren werden, alternativ nutzen wir mehrere kleine Verdichter. Können Sie die praktische Umsetzung des Notstromtests auf dem GKW Stammheim in wesentlichen Schritten kurz beschreiben? J. V.: Die Vorbereitung beginnt Wochen vorher, auch durch Anmeldung bei der Überwachungsbehörde. Am Tag selbst sind die wesentlichen Schritte die Trennung vom Netz, das Anfahren des Notstromaggregats, der Aufbau eines Teils des Wasserwegs, die parallele Zuschaltung von Gasmotoren und weiteren Teilen des Wasserwegs, bis die ganz normale Wassermenge eines Trockenwettertags erreicht wird. Anschließend wird der Schlammweg hinzugenommen. Gab es Herausforderungen? J. V.: Einige. Zum Beispiel ist der Notstromdiesel aufgrund einer Span- nungsspitze ausgefallen und konnte nicht mehr gekühlt werden, die Not- stromfähigkeit des GKWs war für etwa vier Stunden nicht mehr gegeben. Und bei unserem vierten Test hatten wir plötzlich schlechtes Wetter und haben festgestellt, dass auf unserer Hauptleitwarte zwar das Leitsystem, nicht jedoch die Beleuchtung mit Strom versorgt wird. Die vorangegan- genen Tests fanden stets im Sommer bei schönem Wetter statt. Was ist bei der Gestaltung des Übergangs zurück zum Normalbetrieb wichtig? J. V.: Eine spannende Frage! Denn nach einem Test – erfolgreich oder nicht – fängt die Arbeit erst richtig an. Dabei sind vor allem drei Aspekte wichtig: Erstens gilt es, die Anlage wieder funktionsfähig zu machen. Viele elektrische Bauteile müssen quittiert werden, teilweise haben diese auch Schäden erlitten. Die Reparaturarbeiten im Nachgang sind nicht zu unterschätzen. Ein weiterer Punkt ist die Analyse und Ablei- tung gesammelter Erkenntnisse. Bei einem Notstromtest auf dem GKW Stammheim sind ungefähr 50 Personen beteiligt. Um systematische Probleme zu ermitteln, müssen alle individuellen Beobachtungen zusam- mengetragen und strukturiert werden. Und last, but not least geht es um die Integration dieser Erkenntnisse. Ein Notstromtest bedeutet Stress, weshalb alle Mitwirkenden in die Entwicklungen einbezogen werden. „Wir möchten das positive Gefühl mitgeben, dass wir wieder einen Schritt weitergekommen sind.“ Mitarbeiter einbeziehen ist das Eine. Wie stellen Sie bei den StEB Köln zusätzlich sicher, dass diese für Notfallsituationen, insbesondere für den Betrieb des Notstromsystems, ausreichend geschult sind? J. V.: Üben, üben, üben! Die Tests finden wochentags bei Trockenwetter und gut vorbereitet statt. Dann weiß jeder, was zu tun ist – im Ernstfall muss der Schichtbetrieb mit den Kollegen der Rufbereitschaft auf dieses Wissen zurückgreifen, um die Anlage wieder zu starten. L. F.: Das Wichtigste ist, dass wir die Belegschaft für das Thema sensibilisie- ren. Ein Stromausfall ist in Bezug auf Dauer und Ausdehnung eine Folge ver- schiedener Ursachen. Deswegen stellen wir sicher, dass unsere Mitarbeiten- den in der Rufbereitschaft einen Stromausfall direkt mitbekommen, indem ein Warngerät für die Steckdose bei einem Spannungsabfall akustischen Alarm schlägt. Personalschulungen, Testprotokolle, digitale Simulationen: Es gibt viele Ansätze, die die Effizienz von Notstromtests und Notfallplanung verbes sern. Worauf setzen Sie, heute und in Zukunft? J. V.: Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir uns mit anderen Kläranlagen- Betreibern vernetzen und gemeinsam Erfahrungen und Erkenntnisse diskutieren. So können wir alle lernen und uns weiterentwickeln. L. F.: Für die Zukunft würden wir gerne eine Rahmenstabsübung mit allen Stakeholdern durchführen, die einen flächendeckenden Stromausfall für Köln simuliert. Und zwar nicht nur bei uns innerhalb der StEB Köln, sondern mit dem stadtweiten Verbund. J. V.: Ist das dann so etwas wie der Hochwasserschutz in Köln? L. F.: Ja, ich könnte mir das ähnlich wie bei der Hochwasserübung vor- stellen, bei der auch RheinEnergie, Feuerwehr und andere Institutionen teilnehmen. Ein spannender Ansatz. Dafür wünschen wir viel Erfolg! 35