kompetenz wasser DAS KÖLNER FACHJOURNAL FÜR DIE WASSERWIRTSCHAFT September 2023 | ISSN 1863-7035 BLAU-GRÜNE STADT GESTALTUNG Wasserwirtschaftliche Klima­ folgenanpassung durch multifunktionale Flächen WEITERE THEMEN: › KLIMANEUTRALITÄT MIT CO2-ROADMAP › NEUES ENTWÄSSERUNGSSYSTEM › INNOVATIVE GEODATEN-ERMITTLUNG › SANIERUNG HOCHWASSERSCHUTZMAUER › UND VIELE MEHR

kompetenz wasser | September 2023 | Inhalt Inhalt VORWORT Blau-grüne Stadt gestaltung MULTIFUNKTIONSFLÄCHEN SCHAFFEN SCHUTZ UND LEBENSQUALITÄT Überflutungsvorsorge am Beispiel der „Eiler Plätze“ Seite 6 DENKMAL- UND LAND- SCHAFTSSCHUTZ IM BLICK Sanierung des Volksgartenweihers Seite 12 Nachhaltiges Handeln MIT DER CO2-ROADMAP ZUR KLIMANEUTRALITÄT Wie die StEB Köln den Weg zur Treibhausgasneutralität meistern wollen Seite 16 WELCHES TREIBHAUS GAS- POTENZIAL HAT EIN KLÄRWERK? Treibhausgas­Monitoring auf dem Großklärwerk Köln­Stammheim Seite 20 CO-FERMENTATION IM AUFSCHWUNG Status­Update zur alternativen Energieerzeugung am Standort Köln­Stammheim Seite 31 NEUE WERTE FÜR NACH - HALTIGES WIRTSCHAFTEN Die Gemeinwohlbilanz der StEB Köln Seite 32 Abwasser & Klärtechnik NEUES SYSTEM FÜR NEUE HERAUSFORDERUNGEN Aktive Starkregenvorsorge und Ortsanlagenentwässerung für Esch, Pesch und Auweiler Seite 36 INNOVATIVE GEODATEN- ERMITTLUNG Prozessautomatisierung mit GeoAI Seite 52 Hochwasserschutz „LINDEMAUER“ ERFÜLLT WIEDER AKTUELLE HOCHWASSERNORM Sanierung der Hochwasser­ schutzmauer in Köln­Sürth abgeschlossen Seite 56 MELTHO: EIN DOKUMENTATIONSTOOL FÜR HOCHWASSEREREIGNISSE Innovative webbasierte Einsatz­ dokumentation Seite 60 BEHANDLUNG VON FADEN- BAKTERIEN IM KLÄRWERK Maßnahmen und mikroskopische Erfolgskontrolle Seite 40 IMPRESSUM Seite 63 GUT KOMBINIERT: OZONUNG UND AKTIVKOHLEFILTRATION Ergebnisse der RedOxA-Studie am Beispiel des Klärwerks Köln­Rodenkirchen Seite 42 VOM KLÄRWERK ZUM ENERGIEWERK? Biogasaufbereitung am Beispiel des Großklärwerks Köln­Stammheim Seite 26 INFEKTIONSGESCHEHEN FRÜHZEITIG ERKENNEN Abwassersurveillance auf SARS­CoV­2 bei den StEB Köln Seite 48 3

kompetenz wasser | September 2023 | Vorwort Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, in neuem „Gewand“ halten Sie heute die aktuelle Ausgabe der „kompetenz wasser“ in den Händen. Moderner, anschaulicher und unterhaltsamer wollen wir Ihnen künftig unser breites Themen­ spektrum näherbringen. Gleichzeitig sollen Sie sich schnell einen Überblick über die einzelnen Themen und deren Zusammenhänge verschaffen können. Über das gesamte Heft hinweg werden Ihnen daher Elemente begegnen, die an eine Enzyklopädie erinnern und die Sie strukturiert durch die Inhalte leiten. „Die WasserBesserMacher – blaues Wasser für eine grüne Stadt“ ist die Vision, die unser Handeln als Stadtentwässerungsbetriebe Köln bestimmt. Betrachten Sie das „neue Gewand“ des Hefts gerne auch als Anspielung hierauf. Müssen wir unsere Umwelt, ja gerade unsere Städte nicht schnellstmöglich in ein neues, blau­grünes Gewand kleiden, um sie klimaresilient – Stichwort: Schwamm­ stadt – und damit auch für die Zukunft lebenswert zu machen? Wie muss (künftig) das Gewand der Kanalnetze und der Abwasser­ reinigung aussehen, damit trotz erweiterter Stadtgrenzen und einer stetig wachsenden Bevölkerung am Ende weiterhin blaues Wasser steht? Und wie müssen wir unser Wirtschaften generell gestalten – Energie aufbereitung und künstliche Intelligenz sind dabei wichtige Stichwort geber –, um die (Ab­)Wasserwirtschaft heute und in Zukunft nachhaltig grün zu gestalten und sie (noch mehr) mit Klimaschutz in Einklang zu bringen? Ob im Großen wie bei Baumaßnahmen oder im Kleinen wie bei der Arbeit mit Mikroorganismen: Welche neuen Gewänder die Stadt­ entwässerungsbetriebe Köln in ihren verschiedenen Arbeitsberei­ chen in jüngster Zeit entworfen haben, lesen Sie in dieser Ausgabe. Dabei wünsche ich Ihnen viel Spaß! Ihre Ulrike Franzke Vorständin der StEB Köln 5

kompetenz wasser | September 2023 | Multifunktionsflächen schaffen Schutz und Lebensqualität Platz an der Leidenhausener Straße / © StEB Köln Retentionsfläche am Eiler Schützenplatz / © StEB Köln, Peter Jost Platz an der Leidenhausener Straße / © StEB Köln, Peter Jost 7

kompetenz wasser | September 2023 | Multifunktionsflächen schaffen Schutz und Lebensqualität volkswirtschaftliche Vorteil zu bewerten – im Verhältnis zu den Investitionen und den Betriebskosten? Zeigt die Bewertung, dass die Maßnahme sinnhaft und wirtschaft­ lich angemessen ist, gehen wir weiter und besprechen die Maßnahme mit der Stadt Köln, da die betreffenden Flächen häufig auf öffentlichem Grund liegen. Und wenn die Investitionskosten zu hoch werden? IS: Den Fall hatten wir bislang nicht. Sollten zu hohe In­ vestitionskosten dennoch einmal Thema sein, müssten wir uns auf der Suche nach Alternativen die Frage stellen, welche Möglichkeiten wir unter den gegebenen Umständen am Kanalnetz und an der Oberfläche haben. Hier kommt ein wesentlicher Partner ins Spiel: Wir sollten Bürger*innen unbedingt motivieren, sich mit Objektschutzmaßnahmen auseinanderzusetzen und zu erkennen, wie der richtige Um­ gang mit Regenwasser aussehen kann. Schotter­ und ande­ re versiegelte Flächen beispielsweise führen schlichtweg zu mehr Überflutung, das sollte jeder und jedem bewusst sein. Köln stattdessen stärker zu entsiegeln, so dass Regen­ wasser vor Ort versickern oder über Zisternen genutzt werden kann, ist in der Konsequenz aktiv gelebte Überflu­ tungsvorsorge und aktiv gelebter Hochwasserschutz. Am Ende wird der richtige Umgang mit Regenwasser für alle zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen. Denn grüner Raum macht Städte gesünder, ruhiger, entspannter und sauberer, da beispielsweise Staub an begrünten Fassaden gebunden wird. Starkregenschutz ist also immer auch eine Frage der Lebensqualität. Wie gestaltet sich dies am Beispiel Eil, Herr Nagelschmidt? GN: Die Schaffung multifunktionaler Retentionsflächen stellt eine wirkungsvolle Maßnahme zur Entschärfung der Überflutungsgefahr in urbanen Räumen durch Starkregen dar. Hierbei dienen öffentliche Flächen, die ihren Haupt­ zweck zum Beispiel als Verkehrs- oder Grünflächen erfüllen, als Retentionsraum bei seltenen Starkregenereignissen und tragen so langfristig zu einer Verhinderung der Überflutung von Gebäuden bei. Damit wird in nachhaltiger Art und Weise auf die in der Praxis zu beobachtenden Klimaänderungen Entstehung des Spielplatzes / © StEB Köln reagiert und gleichzeitig der öffentlichen Risikovorsorge Rechnung getragen. Darüber hinaus bieten multifunktionale Retentions­ flächen spannende Synergieeffekte im Hinblick auf eine attraktive Stadt­ und Freiraumgestaltung, da diese die Aufenthaltsqualität und die Lebensbedingungen der Bürger*innen signifikant verbessern und gleichzeitig ein nachhaltiger Umgang mit der begrenzten Ressource Boden gewährleistet wird. Bei der Gestaltung multifunktionaler Flächen in Porz-Eil handelt es sich um ein Pilotprojekt, das als Vorbild für nachhaltige Klimaanpassungsmaßnahmen auch für andere Stadtteile dienen kann. Worum genau geht es? GN: Zur Identifizierung von Pilotmaßnahmen haben sich die StEB Köln und die Stadt Köln von April 2015 bis Juni 2017 am bereits erwähnten Forschungsprojekt MURIEL beteiligt, das durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert wurde. In einer Fallstudie haben die Projekt­ teilnehmer mehrere Maßnahmen zur multifunktionalen Flächennutzung für den überflutungsgefährdeten Stadtteil Porz­Eil entwickelt und letztlich den Eiler Schützenplatz und den Platz an der Leidenhausener Straße als geeignet identifiziert. Beide Projekte vereinen Stadtentwicklung und wasserwirtschaftliche Aspekte, indem die Qualität des öffentlichen Stadtraums verbessert und gleichzeitig das Überflutungsrisiko bei Starkregen gemindert wird. Wie ging es dann konkret weiter? GN: Der Eiler Schützenplatz wurde zu einem öffentlichen Park aufgewertet, der nun vielseitig genutzt werden kann. Zum Beispiel als Verweilort mit Sitzstufenanlage und Bänken, als Spielplatz, aber auch zur Durchführung von Veranstaltungen. Der neue, moderne Spielplatz wurde übrigens nach den Wünschen von Kindern und Jugend­ lichen mit einer Kletter­Balancier­Anlage, einer Drehschau­ kel, einer Tischtennisplatte, einem Trampolin und einem Ballfangtrichter realisiert und liegt erhöht oberhalb der tiefer liegenden Regenwasserrückhaltefläche. Angrenzend zur Straße wurde zudem die vorhandene PKW­Stellplatzan­ lage attraktiv umgebaut. 9

kompetenz wasser | September 2023 | Multifunktionsflächen schaffen Schutz und Lebensqualität Für die Fläche an der Leidenhausener Straße wiederum fiel die Wahl auf einen Quartiersplatz mit städtischem Charakter, der von Baumbeeteinfassungen und Sitzpodesten aus Betonfertigteilen geprägt ist. Eine Pergola aus einer Stahl­ konstruktion mit künftiger Bepflanzung spendet in abseh­ barer Zeit Schatten. Bei Starkregen fungiert ein unterirdi­ scher Blockspeicher als Zwischenspeicher, der angesichts der räumlich begrenzten Platzverhältnisse in Verbindung mit den technischen Randbedingungen ein Retentions­ volumen von immerhin 29 m³ bereitstellt; auf der Fläche des Eiler Schützenplatzes können bei Starkregen mindes­ tens 700 m³ Wasser zwischengespeichert werden. Der vom Fördergeber für die Umsetzung des Projektes vor- gegebene Zeitrahmen war eng umrissen – war das jemals ein Problem? GN: Sagen wir, es war eine Herausforderung. Aufgrund zahlreicher Umstände ergaben sich tatsächlich bauzeit­ liche Verzögerungen, was infolge auch zu einer Erhöhung der Baukosten führte. Dennoch konnten die Bauhaupt­ leistungen in 2022 innerhalb des vorgegebenen Bauzeit­ rahmens realisiert und die zusätzlichen Kosten im Rahmen gehalten werden. Welche weiteren Herausforderungen kommen Ihnen in den Sinn? GN: Da es im Stadtgebiet Köln bisher kein vergleichbares Projekt mit den Anforderungen an eine multifunktionale Fläche gab, konnten wir in Köln selbst auf keinerlei Praxis­ erfahrung zurückgreifen. Herausfordernd war sicher, dass sich der Aufwand nicht allein auf die fachliche Betreuung des Gewerks der StEB Köln beschränkte, da auf Grundlage des für dieses Projekt mit der Stadt Köln geschlossenen Kooperationsver­ trages alle Vergaben für Planungen, Bauvorbereitung und Bauleistungen durch die StEB Köln zu veranlassen waren. Darüber hinaus lag auch die federführende Koordinierung der Planungs­ und Bautätigkeiten bei den StEB Köln. Damit verbunden war ein ständiger Austausch mit den involvier­ ten Fachämtern der Stadt Köln – wobei der von Beginn an große Kreis der Projektbeteiligten mit zunehmender Projektdauer immer weiter gewachsen ist. Zudem mussten Planung, Ausschreibung und Bauausführung der Bauleis­ tungen unter Berücksichtigung der Gewerke Freianlagen, Verkehrsanlagen und Kanalbau erfolgen – die Aufteilung der Gewerke im Rahmen der Ausschreibung war der Schlüs­ sel zum Baustart. Baulich herausfordernd war der Umstand, dass nahezu der gesamte Ausbaubereich durch einen umfangreichen Baumbestand geprägt ist, zu dessen Schutz bei den Arbeiten im Wurzel­ und Traufbereich Mini­ beziehungs­ weise Saugbagger unter Einbindung des Baumkontrolleurs der Stadt Köln eingesetzt werden mussten. Dann fällt mir noch die Kanalquerung in geschlossener Bauweise Höhe Frankfurter Straße ein; auch die Verlegung von Versor­ gungsleitungen zur Verhinderung einer Leitungskollision war anspruchsvoll. Für das Projekt gab es eine öffentliche Informationsveran- staltung, bei der die Bürger*innen Anregungen einbringen konnten, auch während der örtlichen Baumaßnahmen haben sie ihre Anliegen immer wieder platziert. Worum ging es dabei und wie sind Sie damit umgegangen? GN: Das Projekt wurde den Bürger*innen im Juli 2018 ausführlich vorgestellt, eingegangene Vorschläge und Wünsche wurden aufgegriffen und im Rahmen der weiteren Planung soweit möglich berücksichtigt. Eine besondere Herausforderung stellte der Beschluss der Bezirksvertre­ tung Porz vom November 2021 dar, wonach die Durch­ führung des Schützenfestes im Juni 2022 auf dem Eiler Schützenplatz ungeachtet der Bautätigkeiten zu gewähr­ leisten war. Diese Vorgabe galt es einzuhalten, was inten­ sive Abstimmungen erforderte. Darüber hinaus wurden neben Absperrmaßnahmen auch bauliche Sondermaßnah­ men wie die Aufbereitung von Flächen zur Andienung des Schützenfestes und die Aufstellung eines Kinderkarussells realisiert. Schlussendlich konnte das Eiler Schützenfest zur Zufriedenheit aller stattfinden. Auch dem Wunsch der am Platz an der Leidenhausener Straße ansässigen Gastronomie „Zur Lindenwirtin“, den Betrieb der Außengastronomie während der Bauzeit auf­ rechtzuhalten, konnten wir nachkommen. Was uns freut, ist das viele positive Feedback, das uns in Gesprächen mit den Anwohner*innen während der Bau­ ausführung vor Ort entgegengebracht wurde. Die durchweg positive Resonanz ist eine schöne Bestätigung unserer Arbeit und motiviert für zukünftige Projekte dieser Art. Ein schönes Fazit. Gibt es denn mit Blick auf weitere Multi- funktionsflächen bereits Pläne oder anstehende Projekte, Herr Schwerdorf? IS: Ja, einige. Wir werden auf jeden Fall in der Kasematten­ straße in Köln-Deutz eine weitere Multifunktionsfläche gestalten. Mit dem Projekt gehen wir abermals einen Schritt weiter, da wir vor Ort nicht nur Retentionsvolumen für Starkregen bereitstellen, sondern das gesamte Areal grüner gestalten – aktuell ist es stark durch Parkplätze und eine Straße asphaltiert. Die Idee ist, in dem Bereich eine Entsiegelung vorzunehmen und das Regenwasser auf­ zufangen. Sprich das Regenwasser aus dem öffentlichen Raum zu versickern. Eine letzte Frage: Mit dem Projekt „Eiler Plätze“ bewerben sich die StEB Köln für den DWA-Klimapreis 2023. Wie schätzen Sie Ihre Gewinnchancen ein? IS: Uns geht es primär gar nicht um die Gewinnchancen. Sondern darum zu zeigen, dass wir in und für Köln etwas getan haben, das Vorbildcharakter hat. Wir möchten gerne mit Kolleg*innen in ganz Deutschland ins Gespräch kommen und dafür ist der Klimapreis ein guter Schritt. Auch wir Kölner*innen haben nach Hamburg oder Karlsruhe ge­ schaut, um von der Erfahrung anderer Städte zu profitieren. Unabhängig davon wird das Projekt Eil als ein Best­Practice­ Projekt in einem Merkblatt der DWA zur multifunktionalen Flächennutzung vorgestellt. Auch hierüber kommen wir in den Dialog, lernen voneinander. Eine gute Vision und ein ebensolches Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch. 11

Wasser Besser Wisser | Heft 31 | Juni 2023 | Denkmal- und Landschaftsschutz im Blick 13

kompetenz wasser | September 2023 | Denkmal- und Landschaftsschutz im Blick WIE SIEHT DIE UMSETZUNG AUS? Vor Baubeginn des Becken­Neubaus im März 2023 wurde neben dem Weiher ein sogenanntes Am­ phibienersatzgewässer errichtet, das bis zum Abschluss des Neubaus als Ersatzhabitat für Amphibien, doch auch für Reptilien und Vögel dient. Zudem musste der alte Weiher entschlammt werden, um ihn für den Neubau vorzubereiten. Hierzu wurde bei noch gefülltem Becken der verdünnte Schlamm von einem Boot aus zunächst in ein Trommelsieb gepumpt, in dem alle Grobstoffe, die größer als vier Millimeter sind, abgetrennt wurden. Anschließend konnte der Sandanteil bis 0,063 Millimeter durch einen Hydrozyklon ebenfalls abgetrennt werden – das verbleibende Schlamm­Wasser­Gemisch ließ sich über das Kanalnetz zur Kläranlage in Köln­Stammheim ableiten. Die Bauzeit einschließlich Wiederbefüllung ist mit zwölf Monaten bis März 2024 kalkuliert. Im Anschluss erfolgen noch die Restmontage der technischen Ausrüstung, wie die Umwälzung und die Schaumsprudler, sowie die landschaftsbauliche Wiederherstellung der durch die Maßnahme betroffenen Flächen. Zum endgültigen Projekt-Abschluss ist für die Sommermonate die Bepflanzung der Weihersohle mit Armleuchteralgen vorgesehen. Weitere Infos zur Weihersanierung gibt es hier: steb-koeln.de/ volksgartenweiher Erdarbeiten im Volksgartenweiher / © StEB Köln 15

kompetenz wasser | September 2023 | Mit der CO₂-Roadmap zur Klimaneutralität Wenn die StEB Köln von Klimaneutralität sprechen, ist die so­ genannte Treibhausgasneutralität – auch als Netto­null­Emissio­ nen­Bilanz bekannt – gemeint. Es geht folglich darum, die Treib­ hausgasemissionen Schritt für Schritt zu senken. Unterstützen soll dabei eine CO2-Roadmap, die 2022 in Zusammenarbeit mit einem Konsortium aus dem Wuppertal Institut für Klima, Um­ welt, Energie gGmbH (WI), dem Forschungsinstitut für Wasser­ wirtschaft und Klimazukunft an der RWTH Aachen e. V. (FiW) sowie der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie­ und Wasserverwendung (ASEW) entwickelt wurde – ein Leitfaden, der das gesamte Unternehmen sowie dessen Lieferketten umfasst und die Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität nachvollziehbar und einfach dokumentierbar macht. WORAUF KAM ES BEI DER ENTWICKLUNG AN? Letztlich geht es darum, dass die CO2-Roadmap zu jeder Zeit eine zeitlich strukturierte Darstellung der Handlungsfelder, Technologien, Maßnahmen und Innovationen zur Erreichung der angestrebten Klimaneutralität ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist der Entwicklungsprozess und Umgang mit der Roadmap von den folgenden sieben Schritten geprägt (siehe auch Abbildung 1): 1. Zieldefinition mit der SMART-Methode: Zunächst wurde das gewünschte Niveau der CO2­Reduktion bis zu einem bestimmten Datum mithilfe der SMART­Methode de­ finiert: Nach diesem Kriterienraster müssen Ziele, um erreichbar und überprüfbar zu sein, spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. 2. Status-quo-Analyse: In diesem Schritt wurden die aktuellen CO2-Emissionen identifiziert und analysiert. 3. Identifizierung der Handlungsfelder: Basierend auf dem aktuellen Zustand und der angestrebten Zielsetzung wurden verschiedene Möglichkeiten zur Reduzierung von CO2­ Emissionen ausgewertet. 4. Entwicklung einer Roadmap: Für die definierten Hand­ lungsfelder wurden konkrete Maßnahmen und Zeitpläne zur Erreichung der angestrebten Ziele identifiziert. 5. Priorisierung der Maßnahmen: Die wichtigsten Maßnah­ men wurden definiert und anhand von Kriterien wie Wirksamkeit, potentiellen Auswirkungen und Durchführbarkeit priorisiert. 6. Kommunikation und Beteiligung aller Stakehol- der*innen: Die Ziele und Rahmenbedingungen werden intern und extern kommuniziert, um Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Investor*innen und Regulierungsbehörden einzubeziehen. 7. Überwachung des Fortschritts: Der Fortschritt wird regelmäßig überprüft, der Plan bei Bedarf angepasst, um sicherzustellen, dass er auf Kurs bleibt und sich an veränderte Umstände anpasst. Die Roadmap dient nicht nur als Planungsinstrument, sondern auch als wichtiges Tool für die interne und externe Kommuni­ kation über Ziele und Rahmenbedingungen der Klimaneutrali­ tätsstrategie: Indem sie die Bedeutung ihrer Arbeit für das Erreichen der Klimaneutralitätsziele verdeutlicht, unterstützt sie dabei, das Vertrauen der Stakeholder*innen zu gewinnen und die Mitarbeitenden der StEB Köln zu motivieren, für die gemeinsame Vision einzustehen. CO2-BILANZIERUNG UND DIE METHODE DAHINTER Der CO2­Bilanz liegt der international anerkannte Standard „Greenhouse Gas Protocol“ (GHG­Protokoll) zu Grunde, der alle sieben im Rahmen des Kyoto­Protokolls regulierten Treib­ hausgase erfasst. Jedes dieser Gase hat ein unterschiedliches Treibhausgaspotenzial – man spricht in diesem Zusammenhang vom Global­Warming­Potenzial (GWP) –, das seine Wirkung auf die Erderwärmung über einen bestimmten Zeitraum ins Verhältnis zu CO2 setzt. Anders gesagt: Erst das GWP macht es möglich, die Treibhausgase als CO2­Äquivalent anzugeben und somit eine einheitliche Darstellung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. CO₂-Äquivalente (CO₂e) sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase. So wird nach dem GHG-Protokoll bilanziert: Schritt 1 Im ersten Schritt wurde der Bilanzierungsumfang unter Anwendung des finanziellen Kontrollansatzes bestimmt, wobei Unternehmensbeteiligungen, an denen die StEB Köln nicht mehr als 50 Prozent halten, nicht berücksichtigt wurden. Schritt 2 Im zweiten Schritt wurden alle unternehmensbedingten Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfasst, wobei zwischen direkten und indirekten Emissionen zu unterschei­ den war. Dazu wurden die Scopes 1, 2 und 3 des GHG­Protokolls herangezogen (siehe Abbildung 2). NF3 SF6 CO2 HFKW N2O FKW CH4 Scope 2 INDIREKT Scope 3 INDIREKT Scope 1 DIREKT Scope 3 INDIREKT Bezogene Elektrizität Heizung und Kühlung (Eigennutzung) Produzierter Abfall Geschäftsreisen Transport Kapitalgüter Leasingnehmer Brennstoff­ und energiebezogene Emissionen Bezogene Dienstleistungen und Güter Unternehmens­ einrichtungen Fuhrpark Prozessemis­ sionen Umgang mit Gütern am Produktzyklusende Transport Franchise Investitionen Leasinggeber Nutzung verkaufter Güter Verarbeitung verkaufter Güter Vorgelagerte Aktivitäten Unternehmen Nachgelagerte Aktivitäten Abbildung 2: Unterscheidung der Scopes nach dem „Greenhouse Gas Protocol“ Quelle: WRI & WBCSD 2004 (Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität der StEB Köln bis 2030) 17

Abbildung 3: CO2e­Emissionen mit Fokusbetrachtung Scope 1 und Scope 3 Quelle: StEB Köln, Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität der StEB Köln bis 2030 Flüssige Gase 378 t Mobile Anlagen 463 t Brennstoff- und energiebezogene Emissionen 613 t Scope 2 47 t Pendelverkehr 712 t Sonstiges 645 t Stationäre Anlagen 4.178 t Prozessemissionen 13.811 t Abfall 1.496 t Scope 3 7.110 t Scope 1 18.830 t Fäll- und Flockungs- hilfsmittel 1.639 t Kapitalgüter 2.004 t Abbildung 4: CO2-Roadmap-Maßnahmen mit den Zielbeiträgen je Handlungsfeld Quelle: StEB Köln 35.000 t 30.000 t 25.000 t 20.000 t 15.000 t 10.000 t 5.000 t 0 t 25.959 t I M P B E - s i m E - n e n o i s 1 2 0 2 G H T 3.428 t –8.762 t W K u a b m U e i g r e n E –6.648 t –318 t s s e z o r P t ä t i l i b o M t s e v n I ) r e t ü g l a t i p a K ( n o i t a s n e p m o K f u a k n i E d n u l e t t i m s b e i r t e B –7.147 t 1 2 0 2 e n e d e i m r e V n e n o i s s i m E KLIMANEUTRALITÄT BIS 2030: DIE ECKPFEILER DER CO2-ROADMAP Für den Fortschritt in Richtung Netto-Null bis 2030 sind insgesamt sechs Fokusthemen im Rahmen der Roadmap relevant: 1. Energie: Fokus auf Effizienzsteigerung, regenerative Energien, Klärgasproduktion, Ökostrombeschaffung und Wärmekonzepte 2. Betriebsmittel und eingekaufte Waren: Fokus auf nachhaltige Beschaffung und Verbrauchsreduzierung 3. Prozesse: Fokus auf Prozessemissions­Management › Lesetipp: Den Beitrag zur Biogasaufbereitung lesen Sie auf Seite 26 4. Mobilität: Fokus auf Dekarbonisierung der Fahrzeug­ flotte und Einsatz alternativer Kraftstoffe 5. Investitionsgüter und Bautätigkeiten: Fokus auf Nutzung alternativer Baustoffe und Reduzierung von Bau­ tätigkeiten durch alternative Lösungen 6. Sequestrierung und Kompensation beziehungs- weise Abgabe von grüner Energie an Dritte: Fokus beispielsweise auf Biogasaufbereitung und Energie­Verkauf an die Stadt

kompetenz wasser | September 2023 | Welches Treibhaus gaspotenzial hat ein Klärwerk? Um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, hat die Bun- desregierung im Hinblick auf das Pariser Klimaabkommen das Ziel ausgerufen, Treibhausgasemissionen bis 2030 deutlich zu senken. Das betrifft auch Kläranlagen. Die StEB Köln haben reagiert: Im Pro- jekt „Treibhausgas-Monitoring auf dem Großklärwerk Köln-Stamm- heim (GKW Stammheim)“ werden relevante Emissionen gemessen und Maßnahmen zur Verminderung etabliert. Das Thema Treibhausgas­Reduzierung ist in gesellschaftlichen wie politischen Debatten rund um das Thema Klimaschutz omnipräsent. Dabei geht der primäre Blick nicht auf das natürliche und wichtige Vorkommen natürlicher Treibhausgase (THG) in der Erdatmosphäre, die ein Leben auf unserem Planeten erst möglich machen. Vielmehr sind die dringend notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen eine Reaktion auf die Konzentrationszunahme der Treibhaugase aufgrund der anthropogenen Einflüsse der Menschen – sie emit­ tieren durch ihre energieintensive Lebensweise seit Beginn der Industrialisierung immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre, was das Klima wandelt und in diesem Zusammenhang massive Folgen für die Umwelt hat. Ohne Treibhausgase wäre ein Leben auf unserem Planeten nicht möglich. Treibhausgase absor­ bieren die von der Erdoberfläche ausgehende Wärmestrahlung im Infrarotbereich und verursa­ chen die Erwärmung der Erdatmosphäre. Statt einer globalen Erdmitteltemperatur von ca. 15° C würde eine mittlere Temperatur von etwa –18° C auf der Erde herrschen. Zu den wichtigsten na­ türlichen Treibhausgasen zählen beispielsweise Kohlenstoffdioxid, Lachgas, Methan und Ozon. TREIBHAUSGASEMISSIONEN IM KONTEXT KLÄRANLAGE Um gefährliche Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern, hat die inter­ nationale Staatengemeinschaft im Übereinkommen von Paris 2015 beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2° C, möglichst auf 1,5° C gegenüber des vorindustriellen Niveaus zu begrenzen. Im Hinblick auf das Pariser Klima­ abkommen hat die Bundesregierung eine Strategie zum Klimaschutz mit dem Klimaschutzplan 2050 vorgelegt, der in allen Sektoren Leitbilder für das Jahr 2050 sowie Meilensteine und strategische Maßnahmen bezogen auf das Jahr 2030 formuliert. Somit hat die Bundesregierung das Ziel zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 auf die emissionsrelevanten Sektoren Energie, Gebäude, Verkehr, Industrie, Ab­ fall und Landwirtschaft heruntergebrochen und konkrete Ziele für die jeweiligen Sektoren beschlossen. In der Abwasserreinigung treten Emissionen bei Kläranlagen sowohl indirekt als auch direkt auf: Direkte Emissionen (Scope 1) entstehen durch die biochemi­ schen Prozesse der biologischen Reinigungsstufen. Die sogenannten indirek­ ten Emissionen hingegen werden durch den Energieverbrauch der Kläranlage (Scope 2), die Nutzung von Betriebsstoffen sowie bei dem Transport und der Entsorgung des von der Kläranlage produzierten Schlamms (Scope 3) verursacht. Die StEB Köln verpflichten sich, als Kommunalunternehmen einen Beitrag zur Reduktion der THG im Sektor Abwasser beziehungsweise im Abfallbereich zu leisten. Hierbei haben sich die StEB Köln das Ziel gesetzt, bis 2030 klima­ neutral zu werden, das angestrebte Ziel ist es, Netto-null-Emissionen für alle betrieblichen Aktivitäten und für die prozessbezogenen Emissionen ausweisen zu können (mehr dazu lesen Sie im Beitrag „CO2-Roadmap“, Seite 16). Vor diesem Hintergrund werden bei den StEB Köln zurzeit unterschiedliche Projekte ver­ folgt, darunter auch das Projekt „THG­Monitoring auf dem Großklärwerk Köln­ Stammheim (GKW Stammheim)“. Im Rahmen des THG­Monitorings sollen die relevanten Prozessemissionen aus der Abwasserreinigung identifiziert und gemessen werden. Zudem sollen Maßnahmen ergriffen werden, um diese Emissionen zu vermindern. 21

kompetenz wasser | September 2023 | Artikeltitel Abbildung 1: N2O-Bildungswege und Reduktionswege innerhalb der Nitri- und der Denitrifikation Quelle: Gruber, Wenzel et al 2022 Denitrifikation -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 N O x i d a t i o n s z a h l NO Reduktion N2O Reduktion NO NO - NO3 AOB NOB HET Abbildung 2: Emissionsfaktor N2O-N/Nzulauf­KA in Abhängigkeit der N­Entfernung Quelle: nach Studie "ReLaKo" der TU Wien 2015 Die Studie untersuchte verschiedene Kläranlagen. Die unterschiedlichen Formen im Diagramm stellen die Ergebnisse der Kläranlagen dar. A R A u z 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 GKW Jahr 2021 /a: 3.947 t KAzu N e 60 65 70 75 80 85 90 95 100 N-Entfernung (%) KAzu 23

kompetenz wasser | September 2023 | Welches Treibhaus gaspotenzial hat ein Klärwerk? DAS PROJEKT „LACHGAS-MONITORING“ AUF DEM GKW STAMMHEIM Die derzeitigen Abschätzungen der Lachgas­Emissionen des Groß klärwerks Köln­Stammheim (GKW Stammheim), die im Scope 1 ausgewiesen werden, beruhen auf dem von der TU Wien im Rahmen der Studie „ReLaKo“ von 2015 entwickelten Stufen­ ansatz (siehe Abbildung 2). Hierbei wird auf Basis des Wirkungs­ grades der Stickstoff­Elimination der Kläranlage – betrieblicher Haupteinflussfaktor für die Lachgasbildung und -emission – der Emissionsfaktor N2O-N / NZulauf-KA aus der Interpolationsgeraden abgeleitet. Daraus wiederum wurde die jeweilige Fracht an emittiertem N2O berechnet und aufsummiert, so dass sich die Jahressumme der emittierten N2O-Fracht in t/a ergibt. Das GKW Stammheim lässt sich in dieser Studie mit einer Stickstoff­Elimination von etwa 85 Prozent (im Jahr 2021) auf einer bestimmten Stufe einordnen, die einem Emissionsfaktor von ungefähr 0,4 Prozent N2O-N / NZulauf-KA entspricht. Bei einer jährlichen Fracht von 3.947 t Stickstoff berechnen sich mithilfe dieses Emissionsfaktors eine Lachgasfracht von 24,8 t und eine CO2­Äquivalenz von 7.167 t. Dies entspricht wiede­ rum 27,6 Prozent (Jahr 2021) der Gesamtemission der StEB Köln. Aufgrund dieser Umstände sowie der Tatsache, dass sich in der Studie andere Klärwerke derselben Stufe hinsichtlich ihres Bautyps und der Größenordnung vom GKW Stammheim unter­ scheiden – was die Anwendbarkeit erschwert –, haben die StEB Köln ein eigenes Lachgas-Monitoring-Projekt initiiert. Ziel die­ ses Projekts ist es, mithilfe einer Langzeitmessung die Bildung und die Emission von Lachgas in den relevanten Verfahrens­ stufen, der Schwachlast und der Prozesswasserbehandlung des GKW Stammheim zu ermitteln. Aufbauend darauf sollen eigene anlagenspezifische Emissionswerte für das GKW Stammheim generiert und diesbezüglich betriebliche Maßnahmen abgelei­ tet werden. Die Umsetzung als Langzeitmessung ermöglicht dar­ über hinaus auch die Erfassung jahreszeitlicher Schwankungen. Erste Schritte für das Lachgas-Monitoring-Projekt Im August und September 2022 wurden in einem der neueren Schwachlastbecken (Beckengruppe 7–14) drei Sonden der dänischen Firma Unisense verbaut. Konkret befinden sich die Sonden an drei unterschiedlichen Stellen: im Ablauf der Denitri­ fikation, in der Mitte der zweiten Variokaskade – die sowohl belüftet als auch nicht belüftet werden kann – sowie im Ablauf der Nitrifikation. Der Sensor misst nach dem elektrochemischen Prinzip, bei dem der Elektrolysestrom eines Gases gemessen und in eine Konzentration umgewandelt wird. Die Sensorspitze bleibt für Sauerstoff und Lachgas durchlässig, wobei nur Letzteres bis zur Kathode der Sonde gelangt. Der Messbereich der Sonde liegt zwischen 0,005–1,5 mg/l. Da die Sonden für die Messung in der flüssigen Phase konzipiert sind, erfassen sie zwar die Bildung, nicht aber die Emissionen von Lachgas. In einem ersten Schritt ist geplant, die in der Flüssigphase erfassten Messwerte nach einer von SCHULTHESS und GUJER hergeleiteten Formel in Emissionen umzurechnen.7 Dafür gilt es, verschiedene Einflussfaktoren der jeweiligen Schwachlast-Zone zu betrachten, wie Tabelle 1 zeigt. Im anschließenden zweiten Schritt werden die bereits berech­ neten Werte mithilfe einer Messung in der Gasphase validiert. Zusätzlich zu den Lachgassonden wurden auch drei RedOx-Sonden an die gleichen Stellen wie die Lachgasmessson­ den implementiert, um eine potentielle Korrelation zwischen der Potenzialänderung und der Lachgasbildung im Abwasser zu erfassen. Diese zusätzlichen Messungen sollen dazu beitragen, die Lachgasbildungsprozesse besser nachvollziehen zu können und betriebliche Optimierungen umzusetzen. Denitrifikation Nitrifikation › Kohlenstoffangebot (CSB) › N/CSB-Verhältnis › RedOx-Potenzial › Interne Rezirkulation › Ammoniumkonzentration (NH4) › Sauerstoff › Schlammalter › Temperatur, pH, RedOx Tabelle 1: Einflussfaktoren auf die Lachgasbildung während der Denitrifikation und Nitri­ fikation. Quelle: StEB Köln. EIN ERSTER PROJEKT-ZWISCHENSTAND AUFFÄLLIGKEITEN AUS DEM LACHGAS-MONITORING › In den Abbildungen 3 bis 5 sind Trendkurven der Denitrifika­ tion, der Variokaskade und der Nitrifikation dargestellt. Bei der Denitrifikation in Abbildung 3 wird ersichtlich, dass die Lachgasbildung erheblich durch die interne Rezirkulation be­ einflusst wird: Je mehr in die Deni-Zone rezirkuliert wird, desto mehr Lachgas wird unter Umständen gebildet. › Weiterhin lässt sich sagen, dass in dieser Zone ein Anstieg der Lachgasbildung oder auch ­akkumulation mit einem Anstieg des RedOx-Potenzials einhergeht. › In der Variokaskade ist vor allem auffällig, dass Lachgas wäh­ rend des Ausschaltens der Belüftung gebildet und akkumu­ liert wird. Bei erneutem Einschalten der Belüftung sinken die Werte für gelöstes Lachgas drastisch, was für eine Strippung des Lachgases über die eingebrachte Luft spricht. › Bezüglich des RedOx-Potenzials wird deutlich, dass dieses je nach Zustand (belüftet/unbelüftet) bei der Bildung von Lachgas abfällt oder steigt (siehe Abbildung 4). › Während der Nitrifikation wiederum ist in Abbildung 5 erkenn­ bar, dass Lachgas bei erhöhter Ammoniumfracht und einer damit einhergehenden Sauerstoffabnahme gebildet wird. Im laufenden Jahr 2023 wird mit den bisherigen Messdaten eine Auswertung der Emissionen vorgenommen, gleichzeitig werden die beschriebenen Auffälligkeiten als Einflussfaktoren näher untersucht. 25

kompetenz wasser | September 2023 | Vom Klärwerk zum Energiewerk? Abwasserreinigung und Energie sind eng miteinander verbunden, denn Kläranlagen benötigen große Energiemengen, um den Reinigungsprozess aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig ergeben sich für Kläranlagen viele Potenziale, die Energiewende zu unterstützen und davon auch selbst zu profitieren. Ein erklärtes Ziel, dem die StEB Köln mit ersten Maßnahmen im Großklärwerk Köln-Stammheim (GKW Stamm- heim) näher kommen. Mit Blick auf das Thema Energiewende werden auf dem GKW Stammheim aktuell unterschied liche Maßnahmen in Gang gesetzt. Auf der einen Seite steht die Reduktion des Energiebedarfs: Energetische Optimierungen wie beispielsweise der Austausch alter Elektromotoren und der Einsatz verbesserter Mess­ und Regelungstechnik für eine effizientere Prozesssteuerung zeigen bereits Wirkung. Doch die Reduktion von Energie ist nur ein Schritt. Mit der Umsetzung nachhaltiger Energiekonzepte etwa beschreiten die StEB Köln innovative Wege, um zusätzliche Potenziale zu erschließen, die in der Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität der StEB Köln definiert sind. Die Biogasaufbereitung ist hier ein wichtiger Baustein. » Lesetipp: Was sich hinter der CO2-Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität der StEB Köln verbirgt, lesen Sie im Beitrag „CO2-Roadmap“, Seite 16 Co-Fermentation heute und in Zukunft Die Erweiterung der Co­Fermentationsanlage auf dem GKW Stammheim ist ein Baustein der CO2­Roadmap, der kürzlich realisiert wurde. Co­Fermentation ist ein Prozess, bei dem organische Abfälle wie Lebensmittelreste gemeinsam mit Klärschlamm in den Faulbehältern der Kläranlage vergoren werden. Im Ergebnis führt dies zu einer höheren Produktion von Biogas (Klärgas), das mithilfe von Blockheizkraftwerken zur Strom­ und Wärmeerzeugung auf Kläranlagen genutzt wird. Doch was passiert, wenn die Biogasproduktion den eigenen Bedarf zeitweise übersteigt? In diesem Fall wird aus dem Biogas, Stand heute, zusätzlicher Strom produziert und in das Stromnetz eingespeist. Ein Vorgang, der mit Blick auf die aktuell angespannte Lage der Gasversorgung die Frage aufwirft, inwiefern es noch sinnvoll ist, das Biogas einfach zu verstromen, ohne die gleichzeitig erzeugte Wärme nutzen zu können. Wäre dies in Momenten, in denen der Bedarf im Stromnetz durch Windkraft und Photovoltaik schon mehr als gedeckt werden kann, nicht sogar kontraproduktiv? » Lesetipp: Was sich hinter der Co-Fermentationsanlage der StEB Köln verbirgt, lesen Sie im Beitrag „Co-Fermentation“, Seite 31 Bild oben: Von links: Jonas Bachnick, Leiter Betriebsentwicklung GKW, StEB Köln; Ulrike Franzke, Vorständin, StEB Köln; William Wolfgramm, Dezernent Klima, Umwelt, Grün und Liegenschaften, Stadt Köln, und Manuel Hartenberger, Projektingenieur, StEB Köln, bei der Inbetriebnahmen der erweiterten Co-Fermentationsanlage / © StEB Köln Bild linke Seite: Absaugprozess der Co-Fermentationsanlage / © StEB Köln 27

kompetenz wasser | September 2023 | Vom Klärwerk zum Energiewerk? Klärgasaufbereitung als Wegbereiter für mehr Photovoltaik Die beschriebene Anbindung an ein zusätzliches Energie­ netz eröffnet zusätzliche interessante Möglichkeiten, dem Ziel der Klimaneutralität näher zu kommen. Photo­ voltaik (PV) beispielsweise gilt als wichtiger Baustein für das Gelingen der Energiewende. Geeignete Flächen für großflächige Anlagen zu finden, ist im urbanen Raum jedoch eine Herausforderung. Deshalb sollen die Flächen des GKW Stammheim demnächst in großen Teilen doppelt genutzt werden, indem nicht nur weitere Gebäude, sondern auch einige Klärbecken mit PV­Anlagen überbaut werden. Nachdem geeignete Flächen dafür identifiziert wurden, soll in den kommenden Jahren schrittweise eine Leistung von mehr als drei Megawatt­Peak zusätzlich installiert wer­ den. Ermöglicht wird dies dadurch, dass sich die zeitweise ent stehenden Energieüberschüsse durch die Gasaufbe­ reitungsanlage ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll mit einem hohen Wirkungsgrad im Gasnetz speichern und nutzen lassen. In Zeiten von hohen PV-Stromerträgen kann dann mehr Biogas zu Biomethan aufbereitet und in das Gas­ netz geleitet werden. Sektorenkopplung von Strom, Gas und Wärme Neben Strom und Gas rückt mit der Biogasaufbereitung noch ein weiterer Energiesektor in den Fokus: Wärme. Genauer: Die Verstromung des Klärgases im Blockheiz­ kraftwerk geht mit einer großen Menge an Abwärme einher – jährlich beziffert sich diese auf etwa 30 Gigawatt­ stunden. Im Winter wird die Abwärme für die Temperierung der Faulbehälter und die Beheizung der Betriebsgebäude bereits sinnvoll genutzt. Darüber hinaus anfallende Wärme­ überschüsse gehen an ein Nahwärmenetz der RheinEnergie, um Haushalte in der Umgebung zu beheizen. Im Sommer hingegen geht ein größerer Teil dieser Abwärme ungenutzt verloren. Hier setzen die bereits geplanten Maßnahmen an: Durch den zukünftig erhöhten Anteil an PV­Strom und die Möglichkeit, Biogas in das Erdgasnetz einzuspeisen, kann das Blockheizkraftwerk besonders in den Sommermonaten dem Wärmebedarf entsprechend zurückgefahren werden – dadurch wird weniger Wärmeenergie verschwendet. Über die Jahreszeiten hinweg ergibt sich so ein effizienterer Ener­ gieeinsatz, der sich den saisonalen Gegebenheiten anpasst. ENERGIESYSTEM DES GROSSKLÄRWERKS KÖLN-STAMMHEIM Erdgas Klärgas Klärgas CH Fernwärmenetz BHKW Gasspeicher Klärgasaufbereitung Erdgasnetz Klärschlamm Stromnetz Abwasserprozess GKW Faulbehälter Notfackel PV-Anlage Co-Substrate Quelle: StEB Köln Schlamm / Co-Substrat Wärme Strom Klärgas / Erdgas CO 29

kompetenz wasser | September 2023 | Co-Fermentation im Aufschwung NACHHALTIGES HANDELN Co-Fermentation im Aufschwung Status-Update zur alternativen Energieerzeugung am Standort Köln-Stammheim AUTOR: MANUEL HARTENBERGER „Klärgas für die Zukunft“: Unter diesem Titel haben die StEB Köln in der vergangenen Ausgabe „kom- petenz wasser“ über die Co-Fermentation auf dem Großklärwerk Köln-Stammheim (GKW Stammheim) ausführlich berichtet. Seitdem hat sich das Projekt äußerst erfolgreich entwickelt. Ein Update. Die Mitvergärung biogener Abfälle – auch bekannt als Co­ Fermentation – erfreut sich im GKW Stammheim wachsen­ der Beliebtheit: Im Jahr 2022 wurde eine Rekordmenge von über 21.900 t an gehaltvollen Fett­Abfällen angenommen und verarbeitet. Gegenüber dem Vorjahr konnte die Liefer­ menge somit um fast 50 Prozent gesteigert werden. Im Ergebnis hat sich die Faulgasproduktion damit un­ gefähr um weitere 700.000 Nm3, die Stromproduktion der Co­Fermentationsanlage um circa 145 Prozent auf knapp 2,9 GWh erhöht. In den Jahren davor lag die Stromproduk­ tion bei durchschnittlich 1,5 GWh pro Jahr. NACHHALTIG AUF ERFOLGSKURS Im Oktober 2022 haben die StEB Köln eine zusätzliche Annahmestation auf dem GKW Stammheim in Betrieb ge­ nommen. Dahinter steht die Absicht einer perspektivischen Erhöhung der Annahmemengen auf bis zu 50.000 t pro Jahr und einer sich daraus ergebenden, rechnerischen Strom­ produktion von jährlich bis zu 9,14 GWh. Dass durch die Erzeugung von Klärgas, das im Blockheizkraftwerk des GKW Stammheim zur Strom­ und Wärmeproduktion genutzt wird, jedes Jahr etwa 900 t CO2 eingespart werden, ist ein nach­ haltiger Nebeneffekt, der unmittelbar auf das erklärte Ziel der Klimaneutralität bis 2030 einzahlt. Den Artikel „Klärgas für die Zukunft – die Co-Fermentation auf dem Großklärwerk Köln-Stammheim geht in den Dauerbetrieb und wird zusätzlich erweitert“ können Sie online hier nachlesen. ENTWICKLUNG DER ENERGIEERZEUGUNG IM GESCHÄFTSFELD CO-FERMENTATION 9,14 GWh/a a / t 0 0 0 0 5 . 1,68 GWh/a 2,94 GWh/a 2,0 GWh/a 1,35 GWh/a a / t 5 3 0 1 2 . 1,19 GWh/a a / t 3 4 9 1 2 . 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Ziel ] a / h W G [ 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0,56 Mio. Nm /a 1,2 Mio. Nm /a 3,75 Mio. Nm /a ] a / t [ 55.000 50.000 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 Quelle: StEB Köln Elektrische Energie [GWh/a] Faulgas [Mio. Nm3/a] Annahmeenergie [t/a] 31

Der Bilanzierungsprozess ohl-Bilanzierung ist ein kontinuierlicher Verbesse- ess, der sich als sogenannter „Deming-Zyklus” mit den vier Phasen „Plan, Do, Check, Act“ beschreiben lässt: („Plan“) treffen Sie die Entscheidung eichen für einen reibungslosen Berichtserstellungsphase („Do“): orkshops mit möglichst breiter Beteiligung gangenen Jahre zurück. Dabei halten Sie Ent- ennzahlen und Ihre Selbsteinschätzung zu allen Aspekten des Gemeinwohls ebenso schriftlich fest wie Plan Vorbereitung ● Entscheidung zur Erst- bzw. Re-Bilanzierung treffen ● Legitimierung schaffen und Ressourcen bereitstellen ● Transparent kommunizieren ● Team zusammenstellen (Projektleitung und Fokusgruppen) ● Projekt effektiv organisieren kompetenz wasser | September 2023 | Artikeltitel Es folgt die Abschlussphase („Check“): Nun wird der Bericht finalisiert, extern überprüft und veröffentlicht. Die anschließende Optimierungsphase („Act“) nutzen Sie für Verbesserungen, über die dann in der nächsten Bilanz berichtet werden kann. Ihr organi- satorischer Aufwand ist bei der Erstbilanz am höchsten und sinkt mit jedem weiteren Zyklusdurchlauf. Gleich zeitig steigern Sie mit jeder Rebilanzierung Ihre Beiträge zum Gemeinwohl – systematisch, vergleichbar und allgemein verständlich. Do Berichtserstellung ● Zwei Rahmenworkshops, fünf Themenworkshops: Verstehen, diskutieren, bewerten ● Fortlaufende Berichtserstellung: Sammeln, schreiben, ergnzen B Workshop Finanzen A Workshop Lieferkette C Mitarbeitende D Workshop Workshop Kund*innen E Workshop Check Abschluss ● Bericht finalisieren ● Mitglied im GWÖ e.V. werden ● Audit oder Peer Review durchführen Gesellschaft ● Bericht veröffentlichen KICK-OFF ABSCHLUSS Act Optimierung ● Einfache Verbesserungsideen („Quick Wins“) sofort umsetzen ● Aufwändigere Verbesserungsideen priorisieren und als Projekte umsetzen FEIERN Abbildung 1: PDCA Zyklus Quelle: Stiftung Gemeinwohl­Ökonomie NRW 2019 GEMEINWOHL-MATRIX 5.0 WERT BERÜHRUNGSGRUPPE MENSCHENWÜRDE SOLIDARITÄT UND GERECHTIGKEIT ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT TRANSPARENZ UND MITENTSCHEIDUNG A: LIEFERANT*INNEN A1 Menschenwürde in der Zulieferkette A2 Solidarität und Gerechtigkeit in der Zulieferkette A3 Ökologische Nachhaltigkeit in der Zulieferkette B: EIGENTÜMER*INNEN & FINANZ- PARTNER*INNEN B1 Ethische Haltung im Umgang mit Geld- mitteln B2 Soziale Haltung im Umgang mit Geldmitteln B3 Sozial-ökologische Investitionen und Mittelverwendung C: MITARBEITENDE C1 Menschenwürde am Arbeitsplatz C2 Ausgestaltung der Arbeitsverträge D: KUND*INNEN & MITUNTERNEHMEN D1 Ethische Kund*innen- beziehungen D2 Kooperation und Solidarität mit Mitunternehmen C3 Förderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeitenden D3 Ökologische Aus- wirkung durch Nutzung und Entsorgung von Produkten und Dienst- leistungen A4 Transparenz und Mitentscheidung in der Zulieferkette B4 Eigentum und Mitentscheidung C4 Innerbetriebliche Mitentscheidung und Transparenz D4 Kund*innen- Mitwirkung und Produkttransparenz E: GESELLSCHAFT- LICHES UMFELD E1 Sinn und gesellschaftliche Wirkung der Produkte und Dienstleistungen E2 Beitrag zum Gemeinwesen E3 Reduktion ökologischer Auswirkungen E4 Transparenz und gesellschaftliche Mitentscheidung Gemeinwohl-Ökonomie: www.ecogood.org Abbildung 2: Gemeinwohl-Matrix Quelle: Stiftung Gemeinwohl­Ökonomie NRW 2019 33

kompetenz wasser | September 2023 | Neue Werte für nachhaltiges Wirtschaften Neben einer fundierten fachlichen Beratung und Beglei­ tung hat die KölnBusiness Wirtschaftsförderung GmbH (KBW) eine ergänzende Veranstaltungsreihe zur Förderung der Netzwerkbildung unter den teilnehmenden Unterneh­ men initiiert. Gleichzeitig konnten auf diesem Wege neben dem Konzept der Gemeinwohl­Ökonomie die beiden städ­ tischen Unternehmen sowie die Pilotgruppe einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Vor allem die Aktivitäten zur Einsparung von Energie­ und Treibhausgasemissionen, die Verfahren zur weitergehenden Abwasserreinigung, die Schwammstadt­Konzeption, der partizipative Umgang mit Kund*innen und Stakeholder*in­ nen und das Engagement, die nachhaltige Transformation immer wieder mit neuen, auch kleinen Projekten voranzu­ bringen, hatten einen nennenswerten Einfluss auf das sehr positive Gesamtergebnis. GEMEINWOHL-ÖKONOMIE BEI DEN STEB KÖLN – DIE MEILENSTEINE › 1 Im Sinne eines guten Projektmanagements (vgl. Ab- bildung 1) haben die StEB Köln­Vorständin Ulrike Franzke und die StEB Köln­Geschäftsbereichsleiter im Juli 2022 zum Start des Pilotprojektes an einer Info­Veranstaltung teilgenommen, in der die Ziele, Meilensteine, konkreten Zu­ ständigkeiten und das Projektteam vereinbart worden sind. › 2 Nach der Sommerpause ging es im September mit einem großen Kick­off­Meeting für alle 27 Team­Mit­ glieder aus den betroffenen Fachbereichen der StEB Köln los, wobei sich die Auswahl der Fachbereiche an den fünf Themenfeldern der Gemeinwohl-Matrix orientierte (siehe Abbildung 2): › Lieferketten, › Finanzen, › Mitarbeitende, › Kund*innen und › Gesellschaft. Die eigentliche Organisation des Projekts wurde als ein hybrider Mix aus Präsenz- und Online-Terminen angelegt, die allgemeine Resonanz darauf war ebenso positiv wie die Reaktion des Teams auf die Vorstellung der theoretischen Grundlagen der Gemeinwohl­Ökonomie. Die Teilnehmen­ den inspirierte vor allem die Idee, die bisher vorherrschende ökonomische Gewichtung um die Beachtung ökologischer Grundlagen und sozialer Werte zu erweitern. › 3 Für die inhaltliche Arbeit selbst fanden in der Zeit von Ende September bis Mitte November 2022 sogenannte „Berührungsgruppen­Workshops“ statt: In insgesamt fünf intensiven Online­Workshops haben die Projektteilneh­ mer*innen wichtige Informationen zum Unternehmen, praktische Umsetzungsbeispiele im Berichtszeitraum sowie erste Kennzahlen, Indikatoren und Beispiele zusammengetragen. › 4 Auf Basis einer Selbstbewertung stand im Anschluss an die Workshop­Phase die schriftliche Dokumentation der Ergebnisse an. Ein notwendiger Prozess, schließlich dient der fertig erstellte Bericht als wichtige Grundlage für das anschließende Audit sowie die Zertifizierung, deren Prozess­ abwicklung der Internationale Verband der Gemeinwohl­ Ökonomie audit.ecogood.org verantwortet. › 5 Im Zuge des obligatorischen Audits werden die StEB Köln in Kürze eine entsprechende Bewertung erhalten (vgl. Abbildung 3). SCHLUSSBETRACHTUNG ZUR GEMEINWOHLBILANZ Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz (GWB) den StEB Köln zahlreiche Vorteile bietet: Als detaillierte Analyse macht sie transpa­ rent, inwieweit ein Unternehmen oder eine Organisation bereits zum Gemeinwohl beitragen und welche Aspekte in diesem Kontext noch optimiert werden können. Konkret: » Was und wie tragen die StEB Köln zum Gemeinwohl der Stadt Köln bei? Diese Erkenntnisse ermög­ lichen die Identifikation von Stärken und Potenzialen in Bezug auf soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte. » Wie können die StEB Köln die Zusammenarbeit mit Bürger*in- nen, Unternehmen und anderen Organisationen verbessern? Die GWB schafft ein gemeinsames Ver­ ständnis von Werten und Zielen und fördert die Zusammenarbeit in Rich­ tung einer nachhaltigen und zukunfts­ fähigen Stadtentwässerung. » Wie lässt sich das Image der StEB Köln weiter verbessern? Die GWB zeigt, dass sich die StEB Köln bereits für das Gemeinwohl einsetzen und verantwortungsbewusst handeln. Auch wenn die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz den StEB Köln unterm Strich betrachtet viele Vorteile bietet und Entwicklungspotenziale aufzeigt, ist die Erstellung selbst mit einem entsprechend hohen Aufwand für die Steuerung der Zielsetzungen, die Datenauswertung, die Dokumentation und die Audits verbunden. Mit Blick auf die Zukunft heißt das: Wenn die Evaluation des Pilotpro­ jekts eine positive Gesamtbewertung ergibt, empfiehlt das Projektteam der StEB Köln die Weiterentwicklung und eine regelmäßige Wiederholung dieser Bilanz im Sinne der Gemeinwohl­Ökonomie. 35

kompetenz wasser | September 2023 | Neues System für neue Herausforderungen DAS GROSSPROJEKT „ESCH-PESCH“ IM FOKUS 1. Das Abwasser des gesamten Entwässerungsgebietes wird über einen neu zu errichtenden Mischwasser- sammelkanal abgeleitet. 2. Ein zentrales Pumpwerk befördert sowohl das nicht klärpflichtige Mischwasser als auch das klärpflichtige Schmutzwasser weiter. 3. Eine neue, redundante Schmutzwasserdrucklei- tung befördert das klärpflichtige Abwasser Richtung Kläranlage. 4. Ein Teilstück dieser Druckleitung wird durch einen Frei- spiegelkanal ersetzt. 5. Der heute offene Ableitungsgraben für das nicht klär­ pflichtige Abwasser zum Randkanal wird durch zwei geschlossene Druckleitungen ersetzt. Der Neubau erfüllt nicht nur die gestiegenen wasserwirt­ schaftlichen Anforderungen – auch die Betriebssicherheit der Anlagen wird erhöht: Anwohner*innen und Umwelt sind zukünftig besser vor Überflutungen geschützt, die vor allem durch ein Versagen der derzeit offenen Abwassergrä­ ben hervorgerufen werden könnten. Die erforderliche Bau­ und Betriebs­ genehmigung gemäß § 57.2 LWG für „Esch­Pesch“ wurde 2021 von der Bezirks­ regierung Köln erteilt – die Bauzeit für die Gesamtmaßnahme ist auf circa vier Jahre terminiert und hat ein finanzielles Gesamt­ volumen von 60 bis 80 Millionen Euro. +3,74 +3,40 3 2 6 0 2 Tank NEANEA NS-Raum 47,70 üNHN = 0,00 - 0,15 SCHNITT BB - 1,10 9 7 , 3 5 3 , 3 - 0,60 -0,15 0,00 0,60 - 0,15 -0,08 -0,14 Planausschnitt PW Martinusstraße / © StEB Köln 33.35 33.35 37

kompetenz wasser | September 2023 | Neues System für neue Herausforderungen 3. REDUNDANTE SCHMUTZ WASSERDRUCKLEITUNG Zur Ableitung des klärpflichtigen Mischwassers zum Netz der Kläranlage Köln­Langel wird die vorhandene alte, ein­ strängige Druckleitung DN 300 durch eine zweite, neue Druckleitung DN 300 in einer neuen Trasse verstärkt. Durch die Etablierung dieses redundanten Systems ist die reibungslose Sanierung der vorhandenen Druckleitung gewährleistet. Eine relevante Baumaßnahme, die die Be­ triebssicherheit bei Verstopfungen oder Leitungsversagen erheblich erhöht – schließlich ist der Betrieb der Ableitung des klärpflichtigen Mischwassers rund um die Uhr erforderlich. TECHNISCHE DETAILS IM FOKUS › Rund 1.160 m lange Druckrohrleitung DN 300 › 1 Stück Schieberbauwerk mit Weichenfunktion › 6 Stück Betriebsschächte/-schieber 4. FREISPIEGELKANAL ZUR ABLEITUNG IM BEREICH BLOCKSTRASSE Im Bereich der Blockstraße, die die beiden Ortsteile Esch und Volkhoven miteinander verbindet, wurde die alte Druckleitung durch einen Freispiegelkanal ersetzt. Das hat gleich mehrere Vorteile: Zum einen lassen sich durch die Nutzung einer Freispiegelleitung im Gegensatz zu einer Druckleitung bekannte betrieblichen Probleme, die zum Beispiel bei der Inspektion entstehen, vermeiden. Auf der anderen Seite ist der Freispiegelkanal energetisch güns­ tiger, da für das frei fließende Wasser keine zusätzliche Energie für Pumpen aufgewendet werden muss. Diese Teil­ maßnahme ist baulich bereits fertiggestellt. TECHNISCHE DETAILS IM FOKUS › Rund 1,3 km langer neuer Kanal (Freigefälle) › Ei-Profil DN 600/900 Leitungsverlegung für das Bauprovisorium / © StEB Köln 5. ZWEI GESCHLOSSENE DRUCKLEITUNGEN Um die ordnungsgemäße Ableitung des nicht klärpflichti­ gen Mischwassers sicherzustellen, ist die Verlegung von zwei parallel laufenden Druckleitungen DN 1200 im unmittelbaren Bereich des vorhandenen Ablaufgrabens zum Randkanal geplant. Der aktuell vorhandene und stark sanierungsbedürftige Abwassergraben wird nach Inbetrieb­ nahme der Gesamtanlage komplett zurückgebaut und an­ schließend verfüllt – damit wird die Landschaft nicht mehr „zerschnitten“, sondern harmonisiert. TECHNISCHE DETAILS IM FOKUS › Rund 1.500 m lange Druckrohrleitung, 2 × DN 1200 › 1 Einleitungsbauwerk in den Randkanal › 1 Übergangsbauwerk › 2 × 8 Revisionsschächte Esch­Pesch­Maßnahmenübersicht © StEB Köln 39

kompetenz wasser | September 2023 | Behandlung von Faden bakterien im Klärwerk Schlammalter wird über den Überschussschlammabzug eingestellt und im Weiteren stetig beobachtet. Sollten die zuvor genannten Maßnahmen nicht ausreichen und sollte der Schlammvolumenindex weiter steigen, erfolgt die Bekämpfung mit Chemikalien, zum Beispiel mit Aluminiumsalzen, um die Fadenstrukturen zu beschädigen. Wie haben Sie die Proben vorbereitet und die Behandlungs- ergebnisse – auch mit Blick auf notwendige Fähigkeiten und Ressourcen – überwacht und bewertet? Welche Mikroskope setzen Sie ein? Sobald in der regelmäßigen mikroskopischen Kontrolle ver­ mehrt Fadenbakterien zu erkennen sind, werden die Belebt­ schlammanalysen im Klärwerk intensiviert. Zur Bestimmung der morphologischen Merkmale erfolgt die Untersuchung im Betriebslabor am Lebendpräparat bei 100­ bis 400­facher Vergrößerung. Dafür nutzen wir ein Carl Zeiss™ Primo Star™ Phasenkontrastmikroskop. Zusätzlich führt in unserem Auftrag die Bioserve GmbH mindestens einmal im Monat eine umfas­ sende Belebtschlammanalyse durch. Welche charakteristischen Merkmale von Fadenbakterien sind unter dem Mikroskop sichtbar? Gibt es weitere Parameter, die neben der Anzahl der Fadenbakterien unter dem Mikroskop bei der Beurteilung des Erfolgs der Fadenbakterienbehandlung be- rücksichtigt werden sollten? Wie bereits erwähnt, erfolgt im ersten Schritt die Erkennung der Fadenmorphologie. Dabei werden verschiedene Merkmale er­ fasst: Fadenform, ­position, ­aufwuchs, ­durchmesser, Verzwei­ gung, Beweglichkeit, Scheide, Einschnürungen, Querwände, Zellform und Zelleinschlüsse. Bei einer erfolgreichen Behandlungsstrategie ist ein Rück­ gang der fadenbildenden Mikroorganismen zu erkennen, eine zunehmende Beschädigung der Fadenstruktur lässt sich bei einer erfolgreichen Fadenbekämpfung mit Chemikalien beob­ achten. Die Absetzeigenschaften des Belebtschlamms sollten sich nun stetig verbessern. Über welchen Zeitraum haben Sie die Fadenbakterienbehand- lung im Klärwerk Köln-Langel vorgenommen und mikroskopisch überwacht? Gibt es einen Richtwert, wie häufig und wie lange mikroskopische Untersuchungen zur Erfolgskontrolle von Faden- bakterienbehandlungen durchgeführt werden sollten? Im Klärwerk Langel kann die Bekämpfung der Fadenbakterien üblicherweise recht spät eingeleitet werden, aufgrund der günstigen Bauweise der Nachklärbecken ist hier nämlich auch ein Schlammvolumenindex bis zu 160 ml/g hinnehmbar. In den Monaten Januar bis Mai jedoch kann der Index über diesen Wert steigen, so dass eine chemische Behandlung mit Aluminium­ salzen zu veranlassen ist. Die mikroskopischen Untersuchungen sind mindestens wöchentlich durchzuführen, der Schlammvolu­ menindex wird nach Möglichkeit arbeitstäglich ermittelt. Haben Sie eine Empfehlung, wie Betreiber von Kläranlagen das Auftreten von Fadenbakterien in ihrem Abwassersystem grund- sätzlich verhindern oder minimieren können? Generell gilt für eine erfolgreiche Behandlungsmaßnahme, dass im ersten Schritt immer die fadenbildenden Mikroorganismen identifiziert werden sollten, bevor die Behandlungsmethode festgelegt wird. Ist der Organismus bekannt, sind die auslösen­ den Faktoren zu minimieren. Eine Allgemeinempfehlung gibt es hier leider nicht, da die jeweilige Behandlung gezielt auf den identifizierten Mikroorganismus abgestimmt sein muss. Immer­ hin kann dank einer regelmäßigen mikroskopischen Untersu­ chung das Auftreten von Fadenbakterien frühzeitig festgestellt werden, also eine klare Empfehlung. Vielen Dank für das Gespräch. DOSIERUNG ALUMINIUMCHLORID ZUR FADEN- BAKTERIENBEKÄMPFUNG, INDEX LANGEL Quelle: StEB Köln 41

kompetenz wasser | September 2023 | Gut kombiniert: Ozonung und Aktivkohlefiltration ABWASSER & KLÄRTECHNIK Gut kombiniert: Ozonung und Aktivkohlefiltration Ergebnisse der RedOxA-Studie am Beispiel des Klärwerks Köln-Rodenkirchen AUTOR: BURKHARD BAUR Hinter der vom Land NRW geförderten Studie steht das Prinzip der Spurenstoffelimination durch Ozonung in Kombination mit Aktivkohlefiltern. Konkret: Die „Reduzierung des Ozon-Oxidations- aufwandes für Spurenstoffe in Kombination mit Aktivkohlefiltration“. Praktisch erprobt wurde dieser kombinierte Ansatz mit einer Pilotanlage auf dem Klärwerk in Köln-Rodenkirchen. Das Ziel hinter RedOxA ist die Entwicklung eines Verfahrens zur Entfernung anthropogener organischer Spurenstoffe aus dem Kölner Abwasser, dazu zählen beispielsweise Arzneimittelreste. Für die Testphase fiel die Wahl auf eine eigene Pilotanlage auf dem Klärwerk Köln­Rodenkirchen, für deren Aufbau eine von sechs bestehenden Zellen der vorhandenen BIOFOR®­Filteranlage aus den 1990er­Jahren zu einem sogenannten Ozonreaktor umgebaut wurde (siehe Abbildung 1). Der Umbau einer weiteren Filterzelle für granulierte Aktivkohle (GAK) konnte zur biologischen Nachbehandlung der Ozonung genutzt werden, eine dritte (Vergleichs-)Zelle wurde mit dem ursprünglichen Filtermaterial auf Basaltba­ sis als Referenzfilter betrieben. PN- G PN- F PN- D PN- B Konventionelle Abwasserbehandlung Teilstrom <= 116 l/s Gereinigtes Abwasser mit Spuren- sto en Abschlag > 116 l/s Filterzelle 1: Ozonung Filterzelle 2: Aktivk terung bis 58 l/s Ozonreaktor ter außer Betrieb Sauersto - tank Ozongenerator Granulierte Aktivkohle Prozessluft (bei Bedarf) PN = Probenahmestellen Gewässer (Rhein) bis 58 l/s Filterzelle 3: BIOFOR-Refer ter BIOLIT-Filtermaterial Abbildung 1: Fließbild der Pilotanlage im Projekt RedOxA / Quelle: StEB Köln Bild linke Seite: Klärwerk-Rodenkirchen / © StEB Köln, Sabine Grothues 43

kompetenz wasser | September 2023 | Gut kombiniert: Ozonung und Aktivkohlefiltration WEITERE WICHTIGE ERGEBNISSE AUS DEM PILOTPROJEKT: › Mit der Ozonung als Einzelver­ fahren konnte das Reinigungsziel bei spezifischen Ozondosen von > 0,47 mgO3/mgDOC erreicht werden. › Trotz des sehr hohen Alters der GAK ließ sich unter Nachschaltung der Aktiv­ kohlefiltration die Ozondosis auf etwa 0,34 mgO3/mgDOC reduzieren (siehe Abbildung 3). › Bezogen auf das oben genannte Reinigungsziel für die sechs Leitsubs­ tanzen ergab die Betrachtung der GAK­Filtration als Einzelverfahren ein Austauschintervall von etwa 14.000 BV. Bei höherer Standzeit der Aktivkohle bricht der Wirkungsgrad, insbesondere bei Regenwetter, deutlich ein (siehe Abbildung 4). Das führt zu zeitweiligen Desorptionseffekten, in deren Zuge der Wirkungsgrad auch negative Werte an­ nehmen kann. Die Lösung: Die bei Regenwetter schlechtere Adsorption der Aktivkohle kann unter Vorschaltung der Ozonung durch eine bedarfsgerechte Ozondo­ sierung ausgeglichen werden, was das Austauschintervall der Aktivkohle maß­ geblich beeinflusst: Bei einer Dosis von 0,34 mgO3/mgDOC verlängert sich das Austauschintervall der Aktivkohle von 14.000 BV auf mehr als 86.000 BV. › Ein weiterer Vorteil der Ozonung­Aktiv­ kohle­Kombination ist die verminderte Bildung von Transformations- und Oxi­ dationsnebenprodukten. Die Bildung des kanzerogenen Bromats etwa ist maßgeblich von der Ozondosis abhän­ gig. Werden im Kombinationsverfahren nun geringere Ozondosen eingesetzt als im Einzelverfahren, kommt es auch zu einer geringeren Bildung von Bromat. Abbildung 3: Ozonbedarf mit Nachbehandlung Blähton (Projekt AdOx) bzw. Aktivkohle (RedOxA) Elimination gemittelt für die Stoffliste laut Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe NRW (KomM NRW) Quelle: StEB Köln Bewertung der Wirksamkeit (3) 100% 80% 73 % 60% . W R N M m o K n o i t a n m i 40% i l E e r e l t t i m 20% Nachbehandlung mit BAK-Filter 74.000 bis 86.000 BV DDOC = 0,34 mgO3/mgDOC 0% 0 Mit „klassischer“ Nachbehandlung DDOC = 0,47 mgO3/mgDOC 0,2 0,4 0,6 0,8 1 spez Ozondosis [mgO3/mgDOC] Betrachtung des Kombinationsverfahrens Abbildung 4: Wirkungsgrad für Aktivkohle bei höherer Standzeit Quelle: StEB Köln Elimination im Aktivkohlefilter liegt bei 12 % bis 44 % (bei Regenwetter niedriger)! Elimination im Kombinations- verfahren bei > 60 % (im Mittel 73 %)! Elimination im Kombinationsverfahren bei > 60 % (im Mittel 73 %)! Elimination im Aktivkohlefilter liegt bei 12 % bis 44 % (bei Regen­ wetter niedriger)! Mittlere Elimination der Leitsubstanzen nach KomM NRW: Benzotriazol, Diclofenac, Carbamazepin, Clarithromycin, Metoprolol, Sulfamethoxazol 45

kompetenz wasser | September 2023 | Gut kombiniert: Ozonung und Aktivkohlefiltration Wie im Abschlussbericht zum Projekt AdOx Köln ausgewiesen, überschreiten mit Diclofenac und Ibuprofen zwei der untersuchten Spurenstoffe den Beurteilungswert für den Rhein, wobei die Emission des GKW Stammheim zu dieser Belastung beiträgt. Ohne eine Spurenstoffbehandlung erhöht sich die Fracht im Rhein allein für Diclofenac um neun Prozent, unabhängig vom Beitrag diffuser Quellen. Bei einer 80­prozentigen Teilstrombehandlung auf Spurenstoffe reduziert sich die Emission des GKW Stammheim auf etwa ein Drittel des Wertes. Zielerreichung – Spurenstoffelimination braucht Kooperation Betrachtet man den Risikoquotienten für Diclo­ fenac nicht nur im Kölner Raum, sondern weiter stromaufwärts, ist dieser bereits überschritten. Das bedeutet: Auch wenn die Kenngröße mit einem Kölner Beitrag zur Spurenstoffelimination zählbar verbessert wird, lässt sich die gewünschte Umweltqualität für den Rhein nur in der Koor­ dination mit den Oberliegern und Unterliegern sowie unter Einbeziehung der diffusen Quellen einstellen. Der Beitrag fasst den Abschlussbericht des Projektes RedOxA zusammen und stimmt in erheblichen Anteilen mit der Ultrakurzfassung des ISA der RWTH Aachen überein. Die letzte Fassung der Grafiken wurde durch Vera Kohlgrüber, KomS BW, für ihren Vortrag zur Essener Tagung 2023 erstellt. Die StEB Köln danken der NRW Bank für die großzügige Förderung und allen Projektbeteiligten der verschiedenen Institutionen für die konstruktive Zusammenarbeit. DOKUMENTE ZUM PROJEKT AUF DER WEBSITE DER STEB KÖLN Das Projekt RedOxA zur Verfahrenskombination aus Ozonung und Aktivkohleadsorption schließt sich an eine Verfahrensauswahl in 2012 (unveröffentlicht) sowie ein zweiphasiges Monitoring und eine Ver­ fahrensabgrenzung Adsorption gegen Ozonung im Projekt AdOx Köln in 2012–2020 an. Die Berichte zu den Projekten AdOx Köln und RedOxA sind auf der Website der StEB Köln hinterlegt. ABSCHLUSSBERICHT PROJEKT REDOXA WEITERE BERICHTE WEBSITE DER STEB KÖLN MIT INFORMATIONEN ZUM PROJEKT ABSCHLUSSBERICHT ADOX KÖLN, PHASE 1 ABSCHLUSSBERICHT ADOX KÖLN, PHASE 1, ANHANG 10.9, CFD ABSCHLUSSBERICHT ADOX KÖLN, PHASE 1, ANHANG 10.10, REVISION CFD ABSCHLUSSBERICHT ADOX KÖLN, PHASE 2 ABSCHLUSSBERICHT ADOX KÖLN, PHASE 2, ANHANG KURZBERICHT ADOX KÖLN, PHASE 2 Stand: August 2023 47

kompetenz wasser | September 2023 | Infektionsgeschehen frühzeitig erkennen Zum Hintergrund: Durch das gezielte Corona-Abwassermo­ nitoring kann das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung umfänglicher erfasst werden als durch die Personentestung. Das liegt daran, dass alle Infizierten das Virus, zum Beispiel mit dem Stuhl, bereits ausscheiden, bevor sich Krankheits­ symptome zeigen. Auch neue Varianten können durch regelmäßige Messungen im Abwasser frühzeitig entdeckt werden. Das ist das Ergebnis zahlreicher Projekte, die die StEB Köln mitentwickelt und erprobt haben: Um eine verlässliche Trendaussage treffen zu können, wird ein zeitlicher Vorlauf von mindestens sechs Wo­ chen benötigt. Ferner müssen die Analysedaten immer dann normiert werden, wenn die Kanalisation – wie in Köln überwiegend der Fall – als sogenanntes Mischsystem betrieben wird. In diesem Fall werden kommunales Abwasser und Niederschlagswasser gemeinsam abgeleitet, Niederschläge führen daher zur Verdünnung des Abwassers. Für die Normierung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, die zum Beispiel unter Berücksichtigung des Trockenwetterzu­ flusses oder sogenannter Surrogatviren, deren Menge im Abwasser bei Trockenwetter nahezu gleichbleibend ist, angewandt werden. l m o r p r e k r a m o B 2 V o C ­ ­ i r e s s a w b A ­ S R A S 600 500 400 300 200 100 0 10/21 11/21 12/21 01/22 02/22 LANGEL STAMMHEIM Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf der Genkonzentrationen im Abwasser des GKW Köln-Stammheim und des Klärwerks Köln-Langel / Quelle: StEB Köln ­ i r a V n o r k i m O r e d ) F R O E ( ; / n o r k i m O R C P d d e t n a l i e t n A 100m % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % PHASE 1: PROBENAHME UND ANALYSE Mit Beginn der Pandemie ging es zunächst darum, sich auf einheitliche Probenahmeverfahren und Analysen­ methoden zu verständigen beziehungsweise diese zu entwickeln. Zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ Leipzig), der TU Dresden und der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) haben die StEB Köln relevan­ tes Know­how in die Arbeitsgruppen „Probenahme“ und „Deutschlandweite Ausrollung“ eingespeist. Außerdem wurden der TU Dresden regelmäßig Abwasserproben des Großklärwerks Köln­Stammheim (GKW Stammheim) für die Entwicklung der Virusanalytik zur Verfügung gestellt. Ein Verfahren, das aufgrund der geringen Haltbarkeit des Virus­Genmaterials sowie dessen Adsorption an abwasser­ bürtige Feststoffe besonders herausfordernd ist. PHASE 2: ERSTES MONITORING IN DER PRAXIS Von Oktober 2021 bis März 2022 haben die StEB Köln ein selbstfinanziertes Abwassermonitoring bei den Klärwerken Köln­Stammheim und Köln­Langel nach den dafür mittler­ weile erarbeiteten Randbedingungen durchgeführt – zu nennen sind die 24-Stunden-Zulauf-Mischprobe, der ge­ kühlte Probentransport sowie die Analyse innerhalb von 48 Stunden nach Probeneingang im Labor. Die Virusanalytik inklusive Probentransport wurde extern vergeben. Pro Woche wurden zwei Proben untersucht. Die Aus­ wertung der Daten und die Trendermittlung fielen in die Verantwortung des Auftragslabors, das die Ergebnisse regelmäßig und zeitnah an das Kölner Gesundheitsamt übermittelt hat. Im betrachteten Zeitraum konnte das Infektionsgesche­ hen in beiden Kölner Klärwerkseinzugsgebieten anhand der Genkonzentration im Abwasser abgebildet und mit den er­ mittelten Inzidenzen des Gesundheitsamtes Köln verglichen werden. Die beiden Kurven zeigen einen sehr ähnlichen Verlauf (siehe Abbildung 1), zwischen den Einzugsgebieten bestehen demnach keine signifikanten Unterschiede. Im weiteren Verlauf des Monitorings konnte man sich daher auf das GKW Stammheim konzentrieren. Eine weitere Erkenntnis des Monitorings: Im betrach­ teten Zeitraum fand der Wechsel der Virus-Varianten von Delta zu Omikron statt (siehe Abbildung 2). Im Kölner Abwasser tauchte die Omikron­Variante erstmals am 30.12.2021 auf. Mit dieser Variante verkürzte sich die Vorwarnzeit von maximal zehn Tagen auf unter vier Tage. Bei den zum ak­ tuellen Zeitpunkt vorherrschenden Varianten XBB 1.5 und BA 2/5 (Stand: April 2023) hat sich dieses Zeitfenster noch einmal deutlich verkürzt (siehe Abbildung 3). 12/21 01/22 LANGEL 02/22 STAMMHEIM Abbildung 2: Wechsel der Corona­Varianten von Delta zu Omikron im Abwasser des GKW Köln-Stammheim und des Klärwerks Köln-Langel im Zeitraum Dezember 2021 bis Februar 2022 / Anteil der Omikron-Variante – ddPCR Omikon/(E;ORF) / Quelle: StEB Köln 49

kompetenz wasser | September 2023 | Infektionsgeschehen frühzeitig erkennen DAS PROJEKT IM DETAIL Um den Aufwand und die Fehleranfälligkeit bei der Abwick­ lung zu minimieren und gleichzeitig auch die Akzeptanz der Mitarbeitenden für diese Zusatzaufgabe im laufenden Betrieb zu fördern, wurde bei der Projekt­Realisation auf vorhandene und geübte Prozesse in den Kölner Klärwerken sowie im Abwasserinstitut Köln zurückgegriffen. Nach sorgfältiger Homogenisierung wurden die ESI­Co­ rA­Proben aus der täglich im Abwasserinstitut aus den drei Zuläufen des GKW Stammheim für die Betriebsanalytik proportional gemischten 24-Stunden-Zulauf-Mischpro­ be gewonnen und für den Transport fertig gemacht. Die gekühlten Proben mussten spätestens 48 Stunden nach ihrer Entnahme ohne Unterbrechung der Kühlkette beim externen Labor eingehen und dort direkt weiterverarbei­ tet werden. Nur so konnten Verluste des empfindlichen Genmaterials ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung auf die Nutzung der Montags- und Mittwochsproben, die entsprechend mittwochs beziehungs­ weise freitags das Auftragslabor erreichten. Die Bereitstellung des vorgegebenen Probenvolumens von einem Liter pro Probe war in der Regel problemlos mög­ lich. Ein Engpass war nur dann nicht ausgeschlossen, wenn gleichzeitig eine weitere Probe an das Umweltbundesamt zur Qualitätssicherung der Genanalytik und an die TU Darmstadt zur Variantenuntersuchung bereitzustellen und Bild 3: Genkonzentrationen im Abwasser des GKWs Köln-Stammheim sowie 7-Tage-Inzidenzen von Oktober 2021 bis April 2023 zu versenden war oder wenn gleichzeitig vom Betrieb Bedarf für eine Sonderanalytik angemeldet wurde. Auch der Probentransport mit Paketdienstleistern war über­ wiegend zuverlässig, vereinzelt wurden Probenpakete nicht abgeholt oder nicht (fristgerecht) geliefert. Ferner sind einige wenige Probenausfälle auf Klärwerks­Außerbetriebnahmen am verabredeten Probenahmetag sowie auf Feiertage oder Betriebs­ ferien des Auftragslabors zurückzuführen. WEITERENTWICKLUNG DATENMANAGEMENT Ein weiterer Schwerpunkt des ESI­CorA­Projekts lag auf der Weiterentwicklung eines modernen Datenmanagements mit einer schnellen, übersichtlichen Ergebnisdarstellung in einem dafür entwickelten Dashboard. Dazu wurden über eine spezielle App die in jeder Probe ermittelten Viruslasten zusammen mit weiteren Abwasseranalyse­Befunden erfasst: Relevant waren die Ammonium­ und die organische Belastung, der pH­Wert, die Leitfähigkeit, die Abwasser­ und Lufttemperatur sowie die Abwassermenge. Diese Befunde konnten im Dashboard nach den einzelnen Standorten und den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen aufbereitet zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Das Datenmanagement stellte sich als herausfordernd dar, da die diversen Angaben innerhalb der StEB Köln an verschiede­ nen Stellen vorgehalten wurden und zeitnah an den Projektträger zu berichten waren. Das heißt: Zukünftig ist diese Form der Datenbereitstellung intern zu optimieren, um den Prozess für alle Beteiligten zu erleichtern und die fristgerechte Datenabga­ be zu gewährleisten. Das Kölner Gesundheitsamt hat die Monitoring­ Ergebnisse für seine Lagebeurteilung in Köln gewinnbringend genutzt. Auch das Landesge­ sundheitszentrum NRW verwendet die hiesigen Daten zur Abschätzung der Pandemielage in NRW. Ebenso gehen die Kölner Daten regelmäßig dem Robert Koch­Institut (RKI) zu und werden dort im Pan­ demieradar als ein wichtiges von mehreren Instrumen­ ten zur deutschlandweiten Lagebeurteilung genutzt. FAZIT UND AUSBLICK Nach nunmehr zwei Jahren Erfahrung mit dem Corona­Ab­ wassermonitoring hat es sich als wertvolles Instrument für die Beurteilung der Infektionslage bewährt und wird aktuell deutschlandweit an insgesamt 175 Standorten erprobt und gefördert. Die StEB Köln sind hieran wieder mit dem GKW Köln­Stammheim beteiligt. Auch eine generelle Ausweitung des Abwassermoni­ torings auf andere Viren und Krankheitserreger, wie zum Beispiel Polio, sowie auf Antibiotika­Resistenzen ist für die Zukunft angedacht. 51

kompetenz wasser | September 2023 | Innovative Geodaten-Ermittlung Für die gezielte Ermittlung von Abwassergebühren bildet die Flächenerhebung eine relevante Berech- nungsgrundlage. Dafür werden relativ kleinräumige (geografische) Informationen zu den erfassten Grundstücken benötigt, da bei der Ermittlung der Niederschlagswassergebühren für Grundstücks- eigentümer*innen zwischen unbefestigten und ab- flusswirksamen, befestigten Flächen unterschieden werden muss. Ein neues, KI-gestütztes Tool soll den Prozess künftig deutlich effizienter gestalten. Niederschlagswasser von Flächen, die nicht der Gebühren­ pflicht unterliegen, wird in der Regel versickert oder für die unmittelbare beziehungsweise anschließende Verwendung gespeichert. Die schadlose Beseitigung ist prinzipiell Auf­ gabe der Gemeinde – in diesem Fall der StEB Köln –, kann aber auch auf Grundstückseigentümer*innen übertragen werden. Diese Regelung der Abwasserbeseitigungspflicht erfordert jedoch eine belastbare Grundlage: Eine detail­ lierte (Vor­)Auswertung, die in erster Linie auf der Basis von Luftbildern und weiteren Daten vorgenommen werden kann, soll den Kund*innen eine nachvollziehbare und verständliche Unterscheidung der Teilflächen ihres Grund­ stücks ermöglichen und so Rückfragen oder Korrekturen vermeiden (siehe Abbildung 1). WARUM IST EINE PROZESS- OPTIMIERUNG SINNVOLL? Grundsätzlich sind die StEB Köln immer auf der Suche nach innovativen Methoden zur Prozessoptimierung und nehmen dabei auch den Prozess der Niederschlagswassergebühren­ ermittlung in den Fokus. Das hat den einfachen Hinter­ grund, dass befestigte Flächen im geografischen Informa­ tionssystem (GIS) des Unternehmens bislang weder digital erfasst noch klassifiziert und zentral fortgeführt werden, was die Arbeit nicht nur unnötig erschwert: Tatsächlich ist die flächendeckende manuelle Erfassung dieser über das 404 km² große Kölner Stadtgebiet verteilten Flächen sowie eine Nachverfolgung ihrer kontinuierlichen Verän­ derungen mit den vorhandenen Personalressourcen nicht möglich. Kurzum: Bei den StEB Köln ist eine weitestgehende Automatisierung der Prozesse „Flächenbestimmung“ und der darauf aufbauenden „Änderungsdetektion“ auf Basis vorliegender Daten mehr als erforderlich. Die dafür wesent­ liche Datengrundlage umfasst Luftbilder, Infrarotluftbilder, das Liegenschaftskataster ALKIS, Laserscandaten und Panoramabilder. Dass GeoAI hier eine smarte Lösung dar­ stellen kann, haben die Ergebnisse eines Testprojektes in Köln­Widdersdorf gezeigt. Gebührenfläche ALKIS-Flurstück Befestigte Fläche Abbildung 1: Überblick/Begriffe Quelle: StEB Köln Bild linke Seite: © tim­online.nrw.de 53

kompetenz wasser | September 2023 | Innovative Geodaten-Ermittlung Abbildung 2: Klassifizierung der befestigten Flächen © StEB Köln Ausgewählte Landnutzungsklassen Terrace Roof Facade Structure (trampolines, sunshades, etc.) Vehicle Impervious Rock Swimming Pool Sand Abbildung 3: Change Detection © StEB Köln 2020, komplett (Baustelle) 2021, komplett Change Detection ZUSAMMENFASSUNG … … UND AUSBLICK GeoAI ist eine Schlüsseltechnologie bei der Automatisierung geodaten- basierter Prozesse. Sie ist gut geeig- net, um repetitive Prozesse bei der Auswertung zu unterstützen und „in die Fläche“ zu bringen, spezi- fische Fragestellungen wiederum lassen sich durch das Nachtrainie- ren von Netzwerken lösen. Die Klassifikation und Segmentierung (Vek­ torisierung) bildet die Basis zur Objektbil­ dung und Zuordnung zu anderen Systemen, benötigt unterstützend jedoch hybride Sensoren bei der Beurteilung, der Erkennung und der Qualitätssteigerung der Ergebnis­ daten. Insbesondere die Vektorisierung hilft, Mehrdeutigkeiten bei der Erkennung zu besei­ tigen. Davon abgesehen ist sie in den meisten Fällen generell der Schlüssel für eine bessere Prozessintegration. Das Testprojekt hat gezeigt, was mit GeoAI im spezifischen Use Case möglich ist. Für die Auswertung des gesamten Kölner Stadtgebiets mit GeoAI findet zurzeit (red. Anm.: im August) ein öffentliches Vergabeverfahren statt. In einem weiteren Schritt wird eine Integration des neuen Auswertungs­Work­ flows in das bei den StEB Köln genutzte ESRI­ArcGIS­basierte Kanalmanagement­ system novaKANDIS der Firma CADMAP angestrebt. Dort werden die befestigten Flächendaten dann mit Eigentümer­ und Verbrauchsdaten verknüpft, um einen Erklärungsbogen mit allen notwendigen Informationen für die Kund*innen der StEB Köln zu generieren. 55

kompetenz wasser | September 2023 | „Lindemauer“ erfüllt wieder aktuelle Hochwassernorm HOCHWASSERSCHUTZ „Lindemauer“ erfüllt wieder aktuelle Hochwassernorm Sanierung der Hochwasserschutzmauer in Köln-Sürth abgeschlossen AUTOREN: CHRISTIAN MÖRCHEN, NICO SCHMITZ Im April 2023 wurde die Sanierung der Hochwasser- schutzanlage „Lindemauer“ in Köln-Sürth fertigge- stellt. Damit entspricht die Hochwasserschutzanlage wieder dem aktuellen Stand der Hochwassernorm und schützt das Hinterland weiterhin bis zum Schutzziel von 11,30 Metern als Kölner Pegel. Das Sanierungspro- jekt im Überblick. Bild oben: StEB Köln­Vorständin Ulrike Franzke mit StEB Köln­Projektleiter Christian Mörchen und dem stellvertretendenBezirksbürgermeister von Köln­Rodenkir­ chen Achim Görtz beim Pressetermin zur Einweihung der Lindemauer © StEB Köln, Peter Jost Rückblende: Im Februar 2013 hatte der Rat der Stadt Köln die Ertüchtigung der Hochwasserschutzanlage Lindemauer in Köln­Sürth beschlossen, da für die bestehende Stahlbetonmauer der neue rechnerische Nachweis des schnell abfließenden Hoch­ wassers und des gleichzeitig drückenden Grundhochwassers nicht erbracht werden konnte. PLANUNG UND MASSNAHMEN Während der Planungs­ und Genehmigungsphase zur Ertüchti­ gung der Lindemauer galt es, unterschiedliche Aspekte abzu­ wägen und zu vereinen. Neben den statischen Anforderungen etwa wurden auch ökologische Aspekte wie Flora, Fauna und Habitat, soziale Perspektiven wie Lärm und Erschütterungen und auch wirtschaftliche Faktoren, die beispielsweise einen Neubau gegen eine Sanierung abwägen, berücksichtigt. Nach Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses für die Sanierung im Dezember 2020 durch die Bezirksregierung Köln konnte die Baumaßnahme, die den sogenannten Lückenschluss zwischen den Hochwasserschutzbauwerken südlich und nörd­ lich der Lindemauer darstellt, im September 2021 starten. Im Zuge der Sanierung wurden neben den gestiegenen stati­ schen Anforderungen auch schadhafte Betonstellen in Angriff genommen, denn an vielen Stellen fehlte die Betonüberdeckung. Die Stahlbewehrung lag an vielen Stellen frei und war infolge von Frost und Tausalzen bereits korrodiert. 57

kompetenz wasser | September 2023 | „Lindemauer“ erfüllt wieder aktuelle Hochwassernorm AUF DER BAUSTELLE VERARBEITETER FRISCHBETON (ORTBETON) Hauptgewerke Kenngrößen Massen Ortbeton Aufgelöste Bohrpfahlwand: Stahlbetonbohrpfähle Anzahl: 130 Stück Länge: 6 – 7 m Durchmesser: 90 cm Betonkopfbalken Kraftschlüssiger Verbund der Bohrpfähle untereinander und mit Bestandswand Breite: 2 m Länge: 260 m Höhe: 60 cm Vorsatzschale für Bestandsmauer (+ Abbruch und Erneuerung Brüstung) Höhe: 5 – 6 m Breite: 9 m/Block Dicke: 15 cm/Block Anzahl Blöcke: 35 500 m³ 440 m³ 315 m³ Ortbeton (Stand 14.12.2022 abgerechnet) SUMME 1.255 m³ HERAUSFORDERUNGEN UND UMSETZUNG Neben den Hauptgewerken war eine Vielzahl weiterer Gewerke an der Sanierung beteiligt, zum Beispiel für den Straßen­ und Gehwegebau, die Böschungssicherung, das Verlegen von Ver­ sorgungsleitungen oder die Montage eines Stahlholmgeländers auf der sanierten Lindemauer. Letzteres dient der Absturzsiche­ rung für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Als besonders anspruchsvoll erwiesen sich während der Baumaßnahmen die provisorische Umlegung der Versorgungs­ leitungen für den anliegenden Gastronomiebetrieb „Sürther Bootshaus“ sowie die Aufrechterhaltung der Wegebeziehun­ gen am an der Mauer angrenzenden „Sürther Leinpfad“: Das öffentliche Interesse an der Hochwasserschutzmaßnahme war aufgrund dieses stark frequentierten Weges, des ortsprägen­ den Charakters und der architektonischen Anforderungen entsprechend groß. Weiterhin stellte sich auch der Umfang zur Wiederherstellung des Gehweges auf der Landseite als deutlich umfassender heraus als ursprünglich geplant. Hervorzuheben ist der Umstand, dass in enger Abstimmung mit dem Amt für Landschaftspflege und Grünflächen der Stadt Köln die meisten Stadtbäume erhalten werden konnten. Darüber hinaus erfolgte Ende 2021 eine Ausgleichspflanzung von jungen Heistern und Sträuchern im rechtsrheinischen Deichvorland in Köln­Langel, da das Bundesnaturschutzgesetz grundsätzlich einen ökologischen Ausgleich für das Entfernen von Vegetation vorsieht. Das Auftragsvolumen der Baumaßnahme betrug rund 3,5 Millionen Euro brutto, zu 80 Prozent gefördert vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein­Westfalen. Benannt wurde die Mauer nach der Firma Linde, die die Hochwasserschutz- mauer für den Bau ihres Verwaltungsge- bäudes benötigte und sie Anfang der 1970er-Jahre initiierte und finanzierte. 59

kompetenz wasser | September 2023 | MELTHO: Ein Dokumentationstool für Hochwasserereignisse Schon FLIWAS 2 war webbasiert, weshalb bereits gute Erfahrungen für den Einsatz eines web- basierten IT-Systems zur Dokumentation eines Hoch- wassereinsatzes vorlagen. Ein Hochwasserereignis beschert den betroffenen Kommunen nicht nur viel Wasser, sondern auch den Einsatzzentralen eine Flut an Informationen und Daten. Um eine effiziente Einsatzdokumentation zu gewährleisten, hat die StEB Köln-Hochwasser- schutzzentrale mit der topocare GmbH das web- basierte IT-System MELTHO (MELdungsToolHOch- wasser) entwickelt. Im Falle eines Hochwassers müssen Meldungen zahlreicher Parteien koordiniert werden. Dafür ist eine zentrale, zügige und einfache Einsatzdokumentation unverzichtbar. Sie ge­ währleistet eine schnelle und gute Lageeinschätzung, einen einheitlichen und aktuellen Informationsstand für alle Hochwasserbeteiligten sowie eine umfassende Auswertung des Einsatzes nach dem Ereignis. Alles Aspekte, die das eigens entwickelte, webbasierte Tool MELTHO abdeckt. EINSATZDOKUMENTATION WEITERGEDACHT Da das bisher zur Einsatzdokumentation genutzte Vorgän­ gersystem FLIWAS 2 (FLutInformations­ und WArnSystem) technisch nicht weiterentwickelt und im März 2023 einge­ stellt wurde, hat die StEB Köln­Hochwasserschutzzentrale bereits im Jahr 2022 die Entwicklung des webbasierten IT­ Systems MELTHO initiiert und es mit der topocare GmbH – Spezialisten für Innovationen im Hochwasserschutz und Wasserbau – realisiert. Die Entscheidung für eine webba­ sierte Lösung beruht auf der Grundlage, dass alle Hochwas­ serbeteiligten, städtische Ämter ebenso wie zum Beispiel die RheinEnergie, das THW, die Polizei oder die DLRG, zu jeder Zeit und von jedem Ort aus plattformübergreifend darauf zugreifen können, ohne für die Funktionalität eine neue Anwendung auf ihrem System installieren zu müssen: Der Zugriff auf MELTHO kann sowohl von einem Rechner, Laptop oder Tablet erfolgen. Die Bedienoberfläche ist nach dem Prinzip des Responsive Designs entwickelt, sprich, die Oberfläche passt sich automatisch an jedes Endgerät an. MELTHO IM ÜBERBLICK Der Umgang mit MELTHO sowie die Einrichtung eines ent­ sprechenden Accounts sind denkbar einfach: › Zuerst werden die Ämter und Organisationen in MELTHO angelegt, die bei einem Einsatz innerhalb der Stadt Köln beteiligt sind. › Danach können sich die Nutzer*innen auf der Webseite von MELTHO durch das Anlegen eines persönlichen Accounts und die Auswahl ihrer Organisation für das IT­ System registrieren. › Abschließend werden die Nutzer*innen von einem sogenannten Experten-Admin freigeschaltet. Bearbeitung allgemein Nach der Einrichtung erfolgt die weitere Bearbeitung in MELTHO auf Organisationsebene, so dass die fortlaufende Bearbeitung eingehender Meldungen und die lückenlose Ereignisdokumentation auch im Schicht­ dienst gewährleistet sind. Über ein in MELTHO hinterlegtes Rechte­ und Rollenkonzept werden zudem Sichtbarkeiten und Funktionen der einzelnen Organisationen geregelt, wobei Datenschutzrichtlinien jederzeit beachtet und berücksichtigt sind. Personenbezogenen Daten wie Name und Vorname der Ansprechpartner*innen und die Organi­ sationseinheit werden mit den jeweiligen Meldungen ver­ knüpft und dienen ausschließlich dazu, im Bedarfsfall mit der jeweiligen Person Rücksprache halten zu können. Dateien Im Grundsatz geht es bei MELTHO darum, Meldun­ gen von Hochwasserbeteiligten sowie Bürger*innen aufzu­ nehmen, zu bearbeiten und alle zusätzlichen Informationen während des Einsatzes – zum Beispiel Lageberichte oder Protokolle – zu speichern. Dabei können in MELTHO sowohl Fotos als auch Videos, E­Mails und PDF­Dokumente hoch­ geladen und gespeichert werden. In einem konkreten Anwendungsfall im Rahmen des Rheinhochwassers wurden Dokumente auf das PDF­Format beschränkt, um auf Tablets, die im Außendienst genutzt werden, eine optimale Lesbarkeit zu garantieren. Meldungen Die Einstiegsseite von MELTHO zeigt das Dashboard. Hier wird direkt die Anzahl der im System an­ gelegten Meldungen sowie ihr jeweiliger Status nachvoll­ ziehbar angezeigt: offen, in Bearbeitung oder abgeschlossen (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Dashboard MELTHO / © topocare Bild linke Seite: Hochwasser Köln / © StEB Köln, Peter Jost 61

kompetenz wasser | September 2023 | MELTHO: Ein Dokumentationstool für Hochwasserereignisse Innerhalb von MELTHO können Meldungen zur Unterstüt­ zung der Bearbeitung an zusätzliche Organisationen, die im System hinterlegt sind, weitergeleitet werden. Auch die Anlage georeferenzierter Meldungen ist möglich: Wird MELTHO mit einem Tablet genutzt, kann direkt auf die GPS­Funktion des Gerätes zugegriffen werden, so dass der Standort nicht manuell eingegeben werden muss. Voraussetzung ist, dass die Standort­ bestimmung auf dem Tablet freigegeben wurde. Lageberichte Eine wesentliche weitere Funktion ist die Erzeu­ gung von Lageberichten – so kann beispielsweise ein täglicher Lagebericht durch die einzelnen Hochwasserbeteiligten zügig erstellt werden. Auf dieser Basis wiederum fasst die StEB Köln­ Hochwasserschutzzentrale (Hochwassereinsatzstab) einen Gesamtlagebericht automatisiert zusammen, wobei jederzeit die Möglichkeit der Nachbearbeitung gegeben ist. Anwendung MELTHO ist anwenderfreundlich – die Handha­ bung erfolgt intuitiv. Das ist gerade bei einem IT­System, das im Alltag nur selten benutzt wird, von großer Bedeutung. Damit sich alle Nutzer*innen auch nach einer längeren hochwas­ serfreien Zeit stets sicher im Umgang mit MELTHO fühlen, führt die StEB Köln­Hochwasserschutzzentrale in Köln mindestens einmal im Jahr eine Schulung beziehungsweise praktische Übungen durch. Fazit Hinsichtlich der beschriebenen Funktionen ist eine Opti­ mierung des IT­Systems, der Organisation und der Maßnahmen im Einsatz in Köln gegeben. MELTHO unterstützt die Arbeiten so­ wohl in der Hochwasserschutzzentrale als auch in den dezentra­ len Leitstellen. Das konnte das IT-System in der Praxis erfolgreich belegen: Das Tool war bereits bei vier kleineren Hochwasser­ ereignissen im Winter 2022/23 zielführend im Einsatz. MELTHO: EIN DOKUMENTATIONSTOOL AUCH FÜR STARKREGENEREIGNISSE Neben Hochwasserereignissen eignet sich MELTHO auch für andere Vorkommnisse, wie etwa Starkregen. Sobald ein ent­ sprechender Meldungstyp angelegt und die Organisation für eben diesen freigeschaltet wurde, kann jede*r Nutzer*in die erstellte Meldung dem passenden Meldungstyp zu­ ordnen. Damit haben die StEB Köln ein Werkzeug für alle erdenklichen Meldungstypen zur Verfügung, durch deren Zuordnung eine schnelle Sortierung von Meldungen und Informationen in einem gemeinsamen IT­System möglich wird. Das hat den Vorteil, dass die Nutzer*innen der ver­ schiedenen Ämter und Organisationen dasselbe IT­System für verschiedene Einsätze nutzen können, was letztlich auch die Akzeptanz des IT­Systems selbst erhöht und Ein­ arbeitungszeiten verkürzt. » Tipp: MELTHO kann aufgrund seines Aufbaus auch außerhalb von Köln, also von anderen Kommunen, Verbänden oder Bundesländern, für die Einsatz­ dokumentation genutzt werden – das Rollen­ und Rechtekonzept lässt sich individuell anpassen. Interessierte fin­ den weitere Informationen dazu unter: topocare.de Impressum Herausgeber: Stadtentwässerungsbetriebe Köln, AöR (StEB Köln) Konzept und Gestaltung: Hochhaus Agentur GmbH, Köln Inhaltlich Verantwortliche gemäß §§ 5, 6 TMG und § 55 Abs. 2 RStV: Birgit Konopatzki Bildnachweis: Titelbild: StEB Köln, Florian Baukmann Vorwort: StEB Köln, Sabine Grothues Redaktion: Carla Meyer, Unternehmenskommunikation, StEB Köln Yvonne Egberink, YES communicationWORKS ISSN 1863­7035 63