kompetenz wasser Kölner Fachjournal für die Wasserwirtschaft ISSN 1863–7035 Heft 30 April 2022

3 Um die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen, bedarf es neuer und angepasster Verfahren und Konzepte. Wie diese aussehen können und welche Bereiche sie betreffen, lesen Sie in den Beiträgen auf den Seiten 4 bis 27. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin Claudia Kemfert gilt als ausgewiesene Expertin in Energie- und Klimafragen. Wir sprachen mit ihr über Herausforderungen der Zukunft und entsprechende Strate- gien (Seite 9). Was passiert, wenn in Köln die Lichter ausgehen? Auf Seite 36 ff. erfahren Sie, wie die StEB Köln als Unternehmen der kritischen Infra- struktur die Sicherung der Abwasserentsorgung bei möglichen Strom- ausfällen gewährleisten. Die Transformation unseres Energiesystems wird ohne Paradigmen- wechsel in der Anlagen- und Betriebsführung von Klärwerken kaum gelingen. Was das bedeutet und wie die StEB Köln darauf vorbereitet sind, lesen Sie auf Seite 39 ff. Auch in der Wasserwirtschaft gewinnt die Digitalisierung mehr und mehr an Bedeutung. Dabei geht es um eine optimierte Prozesssteue- rung im Kanalnetz und auf Kläranlagen — zum Beispiel mit Hilfe von maschinellem Lernen. Lesen Sie mehr auf Seite 44 ff.

5 Sie kommen sowohl von den StEB Köln und dem Umwelt- amt der Stadt Köln als auch von der Sozialforschungsstelle der Technischen Universität Dortmund (sfs), dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), dem Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen (FiW) e.V., den Landschaftsarchitekt*innen der HafenCity Uni- versität Hamburg (HCU) und dem Ingenieurbüro Dr. Pecher. Neben der zielgruppengerechten Aufbereitung der Aus- wirkungen von Klimafolgen im Allgemeinen sollen gemein- schaftliche Lösungen erarbeitet und diskutiert, abgewogen und zum Teil prototypisch umgesetzet werden. Der themati- sche Fokus liegt zum einen auf der Starkregen- und Überflu- tungsprävention, zum anderen aber auch auf der Vorsorge gegenüber Hitze und der Förderung von klimawirksamem urbanen Grün, um so die alltägliche Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Räumlich konzentrieren sich die Aktivitäten auf drei Reallabore in Köln-Deutz, in der Dortmunder Nord- stadt und in Dortmund-Jungferntal. Charakteristisch für die Arbeit in Reallaboren ist, dass Menschen durch das Teilen und Vernetzen von unterschiedlichem Wissen und die ge- meinsame Arbeit an Lösungen ins Handeln kommen. Dabei wird zwischen System-, Ziel- und Transformationswissen unterschieden (Schaepke, 2017). Betrachtet werden sowohl Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Ziele als auch der Weg zum gewünschten Optimalzustand. Um den beschriebenen Austausch zu erleichtern, wurde als Schnittstelle zwischen den Bürger*innen, den Kolleg*in- nen der Stadt und den StEB Köln sowie anderen Akteur*in- nen eine Stelle geschaffen, die je zur Hälfte bei den StEB Köln und beim Umweltamt der Stadt Köln angesiedelt ist. Ihre Aufgabe ist es, im Rahmen der neu konzipierten Koope- rationsformate Themen, Orte und Wissen zusammenzubrin- gen und so Prozesse zu initiieren und zu moderieren. Dies geschieht auf drei Ebenen und mit Hilfe unter- schiedlicher Kooperationsformate: So tauschen sich in den Plenen alle Akteur*innen über alle Themen von iResilience aus. Daraus sollen eine Roadmap als Fahrplan zu einem kli- marobusten Quartier sowie eine grafische Ideensammlung aller Klimaanpassungs-Maßnahmen entstehen (Zukunfts- bild, siehe Abb. 1). Parallel wird in thematischen Arbeits- gruppen (Them. AGs) gezielt über Aspekte wie Starkregen, Hitze oder urbanes Grün gesprochen. Hier stehen das Vernetzen von vorhandenem Wissen sowie die Suche nach Räumen und Themen, die einer Intervention bedürfen, im Vordergrund. Das können konkrete Orte, aber auch konkrete Herausforderungen sein. Für derartige Orte oder Themen Abb. 1: Das Zukunftsbild zeigt die Ideen zur Entwicklung des Quartiers.

Gemeinsam für die Kasemattenstraße Die Starkregengefahrenkarten der StEB Köln zeigen für die Kasemattenstraße im Stadtteil Deutz einen Überflutungs- hotspot (siehe Abb. 2). Darüber hinaus liegt im Sommer hier aufgrund des hohen Versiegelungsgrades auch eine hohe Hitzebelastung vor (siehe Abb. 3). Die Kombination aus baulicher Dichte, wenigen öffentlichen Grünflächen sowie der Barrierewirkung bestehender Straßen und Infrastruktur- trassen sorgt dafür, dass vorhandene wohnungsnahe Ent- lastungsräume nur eingeschränkt wirksam und schlecht zu erreichen sind. Als zuständige und betroffene Akteure wurden die Fach- Kolleg*innen der Stadt Köln und der StEB Köln sowie die Anwohnenden des Bereichs identifiziert. Um sie alle an einen Tisch zu bringen, wurden verschiedene Möglichkeiten der Ansprache genutzt. Während die Fach-Kolleg*innen in bilateralen Gesprächen informiert und zu den Terminen eingeladen wurden, stellte die Motivation der Bürger*innen eine Herausforderung dar. So wurde mit Flyern und Plakaten auf die geplanten Veranstaltungen hingewiesen, der gefähr- dete Bereich wurde zudem mit Farbe markiert. Insbesondere über die persönliche Ansprache gelang es dem Forschungs- projekt, das Interesse der Anwohnenden zu wecken. Die Arbeit der LAG in diesem Bereich basiert auf Einzel- veranstaltungen, wobei die konzeptionellen Schritte zwi- schen den Terminen relativ groß waren. Begonnen wurde die Arbeit im Sommer 2020, also zu Beginn der Corona-Pan- demie. Dies erschwerte die Interaktion der Beteiligten in Präsenzveranstaltungen, daher wurden digitale und hybride Formate in den Prozess integriert. Inhaltlich wurden erste Skizzen zu potenziellen Lösungsansätzen entworfen und visualisiert. Die Visualisierungen dienten als Arbeitsgrund- lage für weitere Treffen. In diesen wurde ausführlich auf die Starkregenproble- matik vor Ort eingegangen, beispielsweise bezüglich der Zwischenspeicherung und Wiederverwendung des Nieder- schlagsabflusses. Die Teilnehmer*innen der LAG einigten Abb. 4: Übersicht aller durchgeführten Treffen 7 sich auf die Erarbeitung eines ausgearbeiteten Vorschlags, der verschiedene Ideen miteinander kombiniert und hin- sichtlich ihrer Machbarkeit einschätzt. Die Informationen dazu wurden von den Kolleg*innen der Fachämter der Stadt Köln bereitgestellt. Nachdem alle Beteiligten in einer Videokonferenz ihre Einschätzung zum erarbeiteten Entwurf vorgenommen hatten, wurde dieser nochmals ins Quartier kommuniziert und durch eine Online-Umfrage bislang Un- beteiligter ergänzt. Dabei zeigten vor allem die Bürger*in- nen großes Interesse, die entwickelte Lösung in politischen Gremien vorzustellen. Im Nachgang wurde darüber hinaus ein Antrag über ein Bundesförderprogramm gestellt, um die Finanzierung der Ideen zu unterstützen. Die entwickelte Lösung umfasst eine grundlegende Um- gestaltung der Kasemattenstraße, wobei der Straßenraum zwischen Kasemattenstraße, Graf-Geßler-Straße und Von- Sandt-Platz inklusive der Lehrerparkplätze des Hans-Böckler- Berufskollegs im Fokus steht. Sie sieht vor, die bestehenden Nutzungen aufzugeben, der Bereich der Parkplätze soll entsiegelt und als grüne Mulde ausgeformt werden. Hier kann sich das Regenwasser schadlos sammeln. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse und der begrenzten Kapazi- täten soll der grüne Stauraum mit einer Rigole oder Zisterne kombiniert werden. So kann ein Teil des Regenwassers ver- sickern und ein anderer Teil für die zukünftige Bewässerung der neugeschaffenen Vegetationsflächen genutzt werden. Die begrünte Mulde lädt als multifunktionale Fläche zum Verweilen ein, das vorhandene Wegesystem für Fußgän- ger*innen und Radfahrende bleibt bestehen. Derweil wird der motorisierte Verkehr künftig über die nördliche Seite des Von-Sandt-Platzes geleitet. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es den Teil- nehmenden der LAG Kasemattenstraße für Morgen! gelun- gen ist, vom Wissen ins Handeln zu kommen. Dabei wurde deutlich, dass eine Diskussion auf Augenhöhe nur möglich ist, wenn alle Beteiligten über das gleiche Wissen verfügen und sich auf gemeinsame Ziele verständigen. Ein Beispiel: Während die StEB Köln die Entschärfung eines überflutungs- gefährdeten Bereiches als Hauptziel ansahen, stand für die Bürger*innen die Aufwertung des öffentlichen Raumes im Fokus. Die Lösung vereint beide Aspekte: Der Raum wird gestalterisch aufgewertet und fungiert gleichermaßen als Retentionsraum im Falle eines Starkregenereignisses. Getragen wurde der Prozess vom großen Interesse der be- teiligten Akteuer*innen sowie der Bereitschaft zum Einblick in andere Denkweisen und zur Erweiterung des eigenen Wissens. Inwieweit das Format der LAG dabei einen nach- haltigen Beitrag zur Schaffung von Klimaresilienz hat, wird aktuell über vertiefende Interviews evaluiert. Das Vorhaben iResilience wurde verlängert und endet am 30. Juni 2022.

Von Anpassung, Vermeidung und Wandel Ein Gespräch mit der Wirtschaftwissenschaftlerin und Professorin Claudia Kemfert zu den klima- und energiepolitischen Herausforderungen Interview: Manfred Kasper Frau Professorin Kemfert, ist der Klimawandel noch aufzu- halten? Wir sind wahnsinnig spät dran, da wir mehrere Jahrzehnte untätig vergeudet haben. Und nun läuft uns die Zeit davon. Doch je länger wir warten, desto schwieriger wird es. Um deutlich unter zwei Grad globale Erderwärmung zu bleiben, müssen wir so schnell wie möglich umsteuern. Wir dürfen nur noch in erneuerbare Energien und Energiesparen inves- tieren und keinerlei Investitionen in fossile Energien mehr zulassen. Oder andersherum: Wir haben noch sieben Jahre »Weiter so«-Zeit. Dann ist das maximale CO2-Budget von etwa 420 Gigatonnen aufgebraucht. Das zeigt: Die CO2- Schuldenuhr tickt, und zwar unaufhaltsam. Wer sie einmal in Realität sehen will: Am EUREF-Center in Berlin-Schöne- berg hängt eine globale CO2-Uhr, die gerade gnadenlos abläuft. Zusammenfassend: Ja, wir können den Klimawan- del noch aufhalten, zumindest seine schlimmsten Auswir- kungen. Das gelingt aber nur, wenn wir endlich ins Handeln kommen! Was heißt das für unsere Gesellschaft und die Frage, wie wir die Folgen der angesprochenen Entwicklung bewälti- gen können? Ein ungebremster Klimawandel hat für die Gesellschaft un- geahnte Folgen. Klimaereignisse wie Überschwemmungen, Dürren, extreme Hitze oder Wasserknappheit werden zuneh- men und damit auch die volkswirtschaftlichen Schäden. Ei- nen ersten Vorgeschmack haben wir leider auch in Deutsch- land zuletzt mit den Überflutungen im Ahrtal bekommen. Derartige Ereignisse müssen wir zukünftig vermeiden. Wir

11 Zur Person Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin Claudia Kemfert leitet seit April 2004 die Abteilung Energie, Ver- kehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsfor- schung (DIW Berlin) und ist Professorin für Energiewirt- schaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität, Lüneburg. Die mehrfach ausgezeichnete Spitzenforscherin und Expertin für Politik und Medien ist Ko-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen SRU und Mitglied im Präsidium der deutschen Gesellschaft des Club of Rome (DGCOR) sowie im Klimabeirat der Städte Hamburg und Dresden. Im Murmann Verlag erschien zuletzt ihr Buch Mondays for Future. Das Foto auf Seite 9 wurde von Dr. Andreas Pohlmann im Rahmen eines rund 100 Persönlichkeiten umfassen- den künstlerischen Fotoprojektes über Klimaforscher- *innen und Klimakommunikator*innen im deutschsprachi- gen Raum aufgenommen (www.pohlmann714.de). Es zeigt Professorin Claudia Kemfert am 8. September 2020 auf der Dachterrasse des ›Berlin Cube‹. Stromproduktion von etwa 50 Prozent. Aber es muss mehr passieren: Der Ökostrom muss weiter ausgebaut werden, wir brauchen mindestens eine Verdreifachung des Ausbau- tempos der erneuerbaren Energien. Zudem müsste Ökostrom in allen Bereichen effizient zum Einsatz kommen, Stichwort Sektorenkopplung, also der verstärkte Einsatz von erneuer- barem Strom in den Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie. Insbesondere bei der Verkehrswende standen wir bisher vollständig auf der Bremse. Das muss sich dringend ändern, sonst erreichen wir weder eine Energiewende noch die an- gestrebten Klimaziele. Auf welche Art und Weise können die Unternehmen — zum Beispiel die StEB Köln — zu diesem Wandel beitragen? Alle Unternehmen sind gefordert, ihren Beitrag zum Klima- schutz zu leisten. Es geht dabei um Emissionsvermeidung, aber auch um Versorgungssicherheit und die Sicherstellung von Wasserqualität. All diese Komponenten haben im Zuge des Umbaus und der Transformation der Wirtschaft eine enorme Bedeutung. Die StEB Köln tun schon sehr viel im Bereich Überflutungsschutz. Sie betreiben aktiven Umwelt- schutz, zum Beispiel durch die Sicherung von Bächen und Weihern. Damit sorgen sie zum einen für einen effektiven Klimaschutz, zum anderen aber auch für eine effektive An- passung an den Klimawandel. Eines Ihrer Bücher trägt den Titel »Die andere Klima-Zu- kunft — Innovation statt Depression«. Wie optimistisch sind Sie, dass Ihre Vision noch realisiert werden kann? Ich bin sehr optimistisch! Mein neuestes Buch heißt übri- gens Mondays for future und sprüht nur so vor Optimismus. Es geht darum, die wichtigsten Fragen im Bereich Klima- schutz und Nachhaltigkeit zu beantworten, aber auch sehr viele Tipps und Umsetzungsschritte für einen echten Klima- schutz zu geben — für die Gesellschaft, die Politik, aber auch für die Bürger*innen in diesem Land. Der Wandel ist meiner Ansicht nach eine enorme Chance für Gesellschaft, Umwelt und Klima. Wenn wir alle beherzt anpacken, können wir es schaffen! Frau Professorin Kemfert, vielen Dank für das Gespräch.

lässigt. Dies lag unter anderem am Simulationsprogramm, den extremen Datenmengen und der damaligen Computer- technologie. Die Genauigkeit der Berechnungsergebnisse war dennoch ausreichend, um Gefährdungen darzustellen und die Bürger*innen zu informieren und zu sensibilisieren. Dabei handelte es sich bei den Veröffentlichungen von 2017 um Worst-Case-Darstellungen. Weiterentwicklung der Berechnungsverfahren und der Simulationssoftware Seit 2017 haben sich die Simulationstechnologie und die Genauigkeit der erhobenen Daten erheblich verbessert, so dass auch die Starkregengefahrenkarten weiterentwickelt werden konnten. In Zusammenarbeit mit dem Forschungs- zentrum VRVis aus Wien wurde im Mai 2021 eine Stark- regengefahrenkarte erarbeitet und online gestellt, die das Fließgeschehen an der Oberfläche realitätsnah abbildet. Während 2017 noch knapp drei Wochen für die Berechnung von Starkregengefahrenkarten mit vereinfachten Ansätzen Standard waren, können nunmehr mit Hilfe der Simulations- software VISDOM komplexe Berechnungen stadtgebietsweit in ein paar Stunden durchgeführt werden. Für eine realitätsnahe Abbildung im Modell ist es er- forderlich, den Weg eines Wassertropfens an der Oberfläche möglichst genau nachzubilden. Ein vom Himmel fallender Tropfen kann von Bäumen, Sträuchern oder anderer Vege- tation beim Auftreffen auf die Erdoberfläche aufgehalten werden. Dieser Rückhalt wird als Interzeption bezeichnet. Die Regentropfen, die es auf die Erdoberfläche schaffen, sammeln sich und fließen als Regenwasser ab. Dabei wird die Fließrichtung des Oberflächenwassers maßgeblich vom Gelände bestimmt. Ist die Erdoberfläche nicht versiegelt, wird ein Teil des Regenwassers vom Erdboden aufgenom- men, es infiltriert ins Grundwasser. In VISDOM werden die genannten hydrologischen Prozes- se Niederschlag, Interzeption und Infiltration einbezogen. Konkret wurde das Modell seit 2017 sowohl in punkto Versi- ckerung als auch hinsichtlich der Interzeption, der Außenein- flüsse und der Niederschlagsberechnung verbessert. So wird die Versickerung von Oberflächenwasser aktuell nach dem Modell von Green-Ampt infiltriert. Dabei hängen die Infilt- rationsparameter von der Bodenbeschaffenheit ab, sie sind daher räumlich variabel. Gesetzt wurden sie auf Basis der Bodenkarten BK50 und der ALKIS Landnutzung. Auffallend ist, dass es keine Versickerung auf versiegelten Flächen gibt. Zu Beginn eines Ereignisses hängt die Versickerungsrate im Wesentlichen von der Vorfeuchte des Bodens ab. 13 Hinsichtlich der Interzeption werden die Niederschlagsraten aktuell in Abhängigkeit von der Landnutzung vermindert. Die Vegetation reduziert am Anfang eines Ereignisses den effektiv wirksamen Niederschlag. Betrachtet man die Außeneinflüsse, so wurden auch Einzugsgebiete außerhalb der Kölner Stadtgrenzen inkludiert. Das zeigt unter anderem den Einfluss von Hangwasser auf Areale im Stadtgebiet. Es ermöglicht vor allem in Nähe der Stadtgrenze eine bessere Abbildung der tatsächlichen Gefährdungslage. Zur Berechnung des Niederschlags dienen im aktuellen Modell verschiedene Regenszenarien. Als Beregnungsdauer wurde eine Stunde angenommen, die Stärke des Regens wurde entsprechend eines 30-jährlichen über einen 50- und 100-jährlichen bis zu einem 200-jährlichen Starkregen ge- setzt. Die Abbildung des 200-jährlichen Starkregens basiert auf einer Empfehlung des Hochwasser- und Starkregenau- dits aus dem Jahr 2020. Visualisierung durch VISDOM Das den dargestellten Entwicklungen zugrunde liegende Modell ist als interaktives Projekt in der Software VISDOM aufgesetzt. Es umfasst die Datenaufnahme einschließlich Verarbeitung, Simulation und Visualisierung der Berech- nungsergebnisse und kann fortlaufend um zusätzliche Details erweitert werden. In unterschiedlichen Szenarien können Rahmenbedingungen verändert, Eingangsdaten aktualisiert oder Maßnahmen abgebildet werden. Dabei können beispielsweise oberirdische Retentionsbecken erfasst und deren Effektivität analysiert werden. Hydrologische Randbedingungen können verändert werden, um zurück- liegende Ereignisse nachbilden und deren Auswirkungen besser nachvollziehen zu können. Darüber hinaus lassen sich auch historische Niederschlagsdaten einspeisen und Durch- flüsse an Pegeln abgleichen. Die Oberfläche des Programms bietet eine 3D-Visualisierung der entscheidungsrelevanten Fließeigenschaften des Wassers. Mit VISDOM können die Starkregengefahrenkarten perspektivisch noch weiter opti- miert werden. Zeigen sie derzeit den Oberflächenabfluss ohne Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Kanalisa- tion, so sollen künftig stadtgebietsweit mit dem Kanalnetz gekoppelte Berechnungen durchgeführt werden. Mehr Sicherheit durch mehr Szenarien Ein kritischer Punkt bei der Berechnung und Erstellung von Starkregengefahrenkarten sind die zugrunde liegenden Para- meter in den hydrologischen Randbedingungen. Starkregen-

15 Hauses und an den Grundstücksgrenzen abgerufen werden, so dass die Bürger*innen sich rasch ein Bild über eventuelle Gefahren machen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einleiten können. Die Anzeige von Wasserständen an der Fassade des Hauses rundet das Angebot ab. Auf dem Weg zu einer wassersensiblen Stadtgestaltung Der Einsatz von VISDOM erfolgt bislang ausschließlich bei VRVis in Wien. Anfang 2022 wurde ein Server bei den StEB Köln installiert. Derzeit werden die Mitarbeitenden geschult, um künftig großräumig Überflutungssimulationen erstellen, Maßnahmen an der Oberfläche planen und deren Wirksam- keit prüfen zu können. Mit dem Einsatz von VISDOM wird eine weitere planerische Grundlage zur wasserwirtschaftli- chen Klimafolgenanpassung für Köln geschaffen. Der Vergleich der berechneten Starkregenszenarien mit tatsächlichen Ereignissen wie dem Starkregen vom Juli 2021 bietet eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten. Einerseits kann festgestellt werden, ob sich die Annahmen bezüglich der gewählten Niederschlags- und Infiltrations- parameter in den tatsächlichen Ereignissen wiederfinden oder die Ansätze verändert werden müssen. Reale Ereignisse können auf Trends hinsichtlich räumlicher Ausdehnung, Niederschlagsdauer oder Intensität untersucht werden. Andererseits können problematische Regionen, in denen es zu einer Über- oder Unterschätzung der Gefährdung im Vergleich zur Simulation kommt, im Detail betrachtet und genauer analysiert werden. Variable Parameter und Rah- menbedingungen können in einer Vielzahl von Szenarien getestet werden, um die Genauigkeit des Modells in Zukunft weiter zu erhöhen. Ein gutes Werkzeug zur Unterstützung, Information und Sensibilisierung Seit der Bereitstellung der Starkregengefahrenkarten im Jahr 2017 und der Hochwasserkatastrophe des Sommers 2021 wächst bei den Nutzer*innen der Anspruch an die Genauigkeit entsprechender Instrumente. Die Frage ist, wie künftig eine Gefährdung durch Starkregen dargestellt wer- den soll. Dabei reicht es sicherlich nicht aus, Gefährdungen für Wiederkehrzeiten von 30, 50, 100 oder gar 200 Jahren mit jeweils einer Stunde Regendauer online bereitzustellen, wenn die Natur uns immer wieder mit einer neuen Varianz tatsächlicher Starkregen konfrontiert. Hierzu bedarf es einer klaren Kommunikation, was die Karten darstellen und wie sie erstellt wurden. Durch den Einsatz von VISDOM ergeben sich zusätzliche, vor allem visuelle Möglichkeiten, die einen wichtigen Beitrag zur Information und Sensibilisierung der Zielgruppen leisten. Dabei sollen Simulationsensembles mit variierenden Intensitäten und Regendauern einem eingeschränkten Nutzerkreis zur Verfügung gestellt werden. So könnte zum Beispiel die Feuerwehr die Wettervorhersage mit den vorab berechneten Simulationsresultaten vergleichen, die Be- rechnungsergebnisse könnten zur Vorhersage einer voraus- Abb. 2: 3D-Visualisierung von Wasserständen eines simulierten Stark- regenereignisses, Quelle: StEB Köln/VRvis Wien sichtlichen und näherungsweise entstehenden Lage genutzt werden. Langfristig ist es sinnvoll, Vorhersageszenarien auf der Grundlage von Starkregenberechnungen zu erstellen, um rechtzeitig vor nahenden Gefahren warnen zu können. Darüber hinaus wird an einer öffentlich zugänglichen On- line-Plattform gearbeitet, um den Bürger*innen eine objekt- zentrierte 3D-Darstellung anbieten zu können. In dieser werden relevante Informationen personalisiert angezeigt. So kann nach Eingabe einer Adresse auf das entsprechen- de Haus und Grundstück gezoomt werden. Hierzu können Informationen über die relevanten Fließwege in Nähe des

17 Abb. 1: Exemplarische Darstellung der Ergebnisse der GIS-Analyse oder Speicherung oberflächiger Abflüsse Überflutungs- schwerpunkte im Siedlungsbereich entschärfen können. Um diese Potenziale für die Starkregenvorsorge zu identifizieren, haben die StEB Köln eine stadtgebietsweite Flächenanalyse zur Ermittlung multifunktionaler Potenzialflächen durchge- führt. Die Ergebnisse der Flächenanalyse Eine wichtige Grundlage ist dabei die Identifizierung kriti- scher Überflutungsschwerpunkte. Die Starkregengefahren- karte der StEB Köln (s. auch Beitrag auf S. 4 ff.) gibt Aus- kunft über die Starkregengefährdung und damit über die Lage und die Ausdehnung von Überflutungsflächen auf dem Kölner Stadtgebiet. Besonderes Augenmerk gilt hier Überflutungsflächen, die durch ihre Flächenausdehnung und Überflutungstiefe einen großen Bereich der angren- zenden Siedlungsstruktur tangieren, sogenannte ›Überflu- tungshotspots‹. Die Ermittlung derartiger Flächen erfolgte automatisiert mittels einer GIS-basierten Abfrage anhand folgender Parameter: Es handelt sich um eine städtische Fläche, die größer als 2000 Quadratmeter ist. Diese weist eine Überflutungstiefe von mindestens 30 Zentimetern auf, wobei kein ausreichender Abstand zu Gebäuden und sensib- len Objekten vorhanden ist. Insgesamt wurden 253 Überflutungsflächen identifiziert. Zur Ermittlung multifunktional nutzbarer Areale wurden nachfolgend die Auswahlkriterien der Arbeitshilfe des interdisziplinären Forschungs- und Entwicklungsprojektes MURIEL (Multifunktionale urbane Retentionsräume — von der Idee zur Realisierung) herangezogen. Demnach gelten öffentliche Flächen beziehungsweise Grundstücke im Eigen- tum der Stadt Köln aus administrativer Sicht als grund- sätzlich geeignet. Hinsichtlich der funktionalen Aspekte kommen insbesondere Sport- und Quartiersplätze sowie Freiflächen, Grünflächen und Parks in Frage. Kategorisch wurden Friedhöfe, Gewässer oder Gebäude, die keine multi- funktionale Nutzung erlauben, aus dem Flächenpool ent- fernt. Die gesammelten Daten wurden so aufbereitet, dass jedes Flächenelement eindeutige Eigentumsverhältnisse und Nutzungsarten aufweist. Flächen im städtischen Eigen- tum und mit zutreffender Nutzung gemäß MURIEL wurden weiter untersucht. Neben den oben genannten Kriterien spielte dabei auch die räumliche Nähe der multifunktional nutzbaren Potenzialflächen zu den im ersten Schritt ermittel-

Blau, Grün, Grau! Klimafolgenangepasste Quartiersentwicklung im Bestand — Planungs- prozesse in Kölner Klimahotspots Von Dr. Maria Ceylan, Ingo Schwerdorf und Lea Steyer Die Bewältigung der prognostizierten klimatischen Verän- derungen und daraus resultierender Wetterextreme ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer umfassenden, konzeptionellen Herangehensweise, die im urbanen Umfeld den Prozessen und Funktionen des natürlichen Wasserkreislaufs ausrei- chend Platz einräumt. Die Wege des Regenwassers in unseren Städten lassen sich vielfältig und bereits frühzeitig auf verschiedenen Ebe- nen abkoppeln. Wichtig dabei ist: Regenwasser darf nicht länger nur unterirdisch kanalisiert und abgeleitet werden. Den befestigten und unbefestigten Oberflächen im urba- nen Raum müssen neue Funktionen zugewiesen werden, sie müssen mit Nutzungsansprüchen kombiniert werden, die den natürlichen Wasserhaushalt fördern und das lokale Klima begünstigen. Um dies zu leisten, ist die Verknüpfung von blauen, grünen und grauen Infrastrukturen erforderlich, die Wasser verdunsten, nutzen, versickern, reinigen oder zwischenspei- chern. Eine Stadt, die sich in ihrer strategischen Ausrichtung an diesem Leitgedanken orientiert, bezeichnet man als »Schwammstadt«. Die StEB Köln haben 2020 ein Strategie- konzept zur Wasserwirtschaftlichen Klimafolgenanpassung für Köln erarbeitet. Damit wird Köln zur »Schwammstadt«. Nunmehr gilt es, blau-grün-graue Infrastrukturen umzuset- zen, um eine Resistenz gegenüber den Auswirkungen der Klimafolgen zu schaffen.

21 Abb. 1: Vergleich der drei Konzepte (Untersuchungsgebiet Köln-Kalk) der Prozesskriterien stehen die gemeinsame Erarbeitung von Strategien unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder und der städtischen Ämter sowie die Entwicklung generel- ler Vorgaben und Musteranwendungen zur Umsetzung in anderen Quartieren im Fokus. In einem zweiten Workshop wurden die für die beiden Fokusgebiete erarbeiteten Vor- schläge gemeinsam mit allen Beteiligten durch Ortsbege- hungen konkretisiert und ergänzt. Unterschiedliche Resultate Im Ergebnis wurden für jedes Fokusgebiet drei Maßnahmen- programme erarbeitet. Diese unterscheiden zwischen öffent- lichen und privaten Freiflächen sowie einer Kombination aus beiden. Bei den öffentlichen Freiflächen (Konzept 1) sind überwiegend Maßnahmen im öffentlichen Raum vorgese- hen, beispielsweise um den Versiegelungsgrad zu reduzieren und den Grünanteil zu erhöhen. Der Fokus liegt hier in der Multifunktionalität von Flächen, über die die Resilienz gegenüber Überflutungen im öffentlichen Raum erhöht werden kann (siehe dazu auch Beitrag auf Seite 16 ff.). Be- züglich der privaten Flächen (Konzept 2) steht vor allem das Potenzial der Maßnahmen auf Dächern und an Fassaden im Vordergrund. Derweil sieht Konzept 3 eine Kombination aus Maßnahmen im öffentlichen und privaten Raum vor. Alle drei Konzepte wurden für die Fokusgebiete jeweils visuell dargestellt (siehe Abb. 1). Zudem erfolgte über das Tool GreenScenario ein Abgleich des Ist-Zustands mit der Situation nach Umsetzung der Konzepte. Bei dieser Wirk- samkeitsbewertung wurde der Effekt grün-blauer Infrastruk- turmaßnahmen für die Bereiche Freiraum & Grün, Wasser, Hitze & Mikroklima sowie Wirtschaftlichkeit parameter- scharf betrachtet und einander gegenübergestellt. Der da- raus resultierende Nutzen soll in Vorbereitung der weiteren Abstimmungen evaluiert werden. Schon jetzt kann festgestellt werden, dass Konzept 3 für beide Fokusgebiete die höchste Wirkung erzielte. Die Wirksamkeit von öffentlichen Maßnahmen (Konzept 1) unterscheidet sich ersten Auswertungen zufolge zwischen den Untersuchungsgebieten deutlich. Während für das Fo- kusgebiet in Köln-Kalk die Umsetzung von Maßnahmen im öffentlichen Raum eine deutliche Verbesserung der wasser- wirtschaftlichen Modellparameter verspricht, wirken sich private Maßnahmen hier eher geringfügig aus. Anders ist die Situation im Pantaleonsviertel, wo die geringe Zahl der verfügbaren Freiflächen sowie vorhandene Bodenaltlasten ein Problem für Versickerungsmaßnahmen und damit eine besondere Herausforderung darstellen. Die detaillierten Ergebnisse werden derzeit aufbereitet, sie sollen mit den Stakeholdern, den umsetzenden Fach- dienststellen der StEB Köln und der Stadt Köln in einem abschließenden Workshop diskutiert werden. Im nächsten Schritt gilt es dann, die technische Machbarkeit der einzel- nen Maßnahmen zu überprüfen und mögliche Restriktionen zu benennen. Zudem wird untersucht, ob und in welcher Form die Vorgehensweise eine Blaupause für die Anwen- dung in weiteren Stadtentwicklungsgebieten sein kann.

23 Das 5C — 4R Framework = 44 Resilienz-Indikatoren Die fünf Kapitale (5 Cs): Humankapital (Bildung, Fähigkeiten, Ge- sundheit) Sozialkapital (soziale Beziehungen und Netzwerke, die Zusammenarbeit fördern, Aus- tausch vereinfachen und Zugang zu Ideen und Ressourcen ermöglichen) Sachkapital (Dinge, die aufgrund von Wirt- schaftstätigkeit aus anderen Kapitalen her- estellt werden, wie z. B. Infrastruktur, Maschi- nen, Lebensgrundlagen) Naturkapital (natürliche Ressourcen, Boden- produktivität und Massnahmen, diese zu erhalten, Wasser und andere Ressourcen, die Lebensgrundlagen ermöglichen) Finanzkapital (Menge, Variabilität und Diver- sität von Einkommensquellen und Zugang zu Ressourcen, die zum Wohlstand beitragen) Die vier Eigenschaften eines resilienten Systems (4 Rs): Robustheit (die Fähigkeit, Schocks zu widerstehen), z. B. Gebäude und Brücken, die einem Hochwasser widerstehen können Redundanz (funktionelle Vielfalt), z.B. über mehrere Evakuierungsrouten zu verfügen Findigkeit (die Fähigkeit, unter Stress Ideen zu mobili- sieren), z. B. eine Gruppe innerhalb einer Gemeinschaft, die rasch mobilisiert werden kann, um eine Mehrzweck- gebäude in einen Hochwasserschutzraum zu verwan- deln Schnelligkeit (zeitnah agieren, um Schäden zu mini- mieren und sich von Schocks zu erholen), z. B. rascher Zugang zu finanziellen Ressourcen zum Wiederaufbau Abb. 1: Darstellung der angewendeten Methodik, aus der die 44 Indikatoren abgeleitet wurden Interviews mit Expert*innen sowie bereits erhobene Daten, etwa zur Alters- und Sozialstruktur. Auf dieser Basis werden die einzelnen Indikatoren auf einer Skala von A (best practice) bis D (deutlich unter dem Standard) validert. Das Tool, welches aus einer webbasier- ten und zugangsbeschränkten Plattform besteht, wertet die Daten aus und stellt die Ergebnisse in Form der individuel- len Stärken und Schwächen in punkto Hochwasser-Resilienz dar. Dies erfolgt aus unterschiedlichen Blickwinkeln, zum Beispiel anhand der jeweiligen Phasen des Hochwasserrisi- komanagement-Zyklus. Alle Schritte der Resilienz-Messung sind in Abbildung 2 dargestellt. Ergebnisse der Resilienz-Messung in Köln Für die Resilienz-Messung in Köln wurden die Bewohner*in- nen innerhalb des gesetzlich definierten Überschwem- mungsgebietes des Rheins ausgewählt, ausgenommen war das hochwasserangepasste Wohn- und Geschäftsviertel im ehemaligen Rheinauhafen. Im betroffenen Bereich wohnen etwa 1000 Menschen in 441 Haushalten. Je nach Lage sind die ersten Gebäude ab 7,00 m Kölner Pegel (KP) und damit fast in jedem Jahr von Hochwasser betroffen. Auf- grund dessen ist davon auszugehen, dass die Gemeinschaft im Untersuchungsgebiet ein Hochwasser bis 11,30 m KP (100-jährliches Ereignis) gut verkraften kann. Ziel der Resi- lienz-Messung war es, diese These zu belegen und — wenn möglich — Optimierungspotential aufzuzeigen. Um die notwendigen Daten zu erheben, wurde im Früh- jahr 2020 eine schriftliche Befragung der Haushalte durch die StEB Köln durchgeführt. Dabei wurde der internationale Fragenkatalog der ZRFA angewendet und an die Gegeben- heiten in Deutschland angepasst. Die Rücklaufquote lag bei knapp 13 Prozent. Zudem fand eine Befragung von Expert*- innen der Berufsfeuerwehr Köln, der Abfallwirtschaftsbe- triebe Köln GmbH, der RheinEnergie AG und der StEB Köln statt. Im Rahmen eines Workshops wurden abschließend die 44 Indikatoren der Resilienz mit den ermittelten Daten abgeglichen und von Expert*innen der StEB Köln bewertet. Das Resultat der Resilienz-Messung im Untersuchungsgebiet lag bei 80 von 100 möglichen Punkten. Zu beachten ist dabei, dass der Höchstwert 100 allein aufgrund äußerer Rahmenbedingungen prinzipiell nicht erreicht werden kann. Im Detail erhielten mehr als die Hälfte der Indikatoren die Bestnote A, weitere 14 Indikatoren wiesen einen guten Standard (Note B) aus. Sichtbare Verbesserungspotenziale (Note C) wurden bei drei Quellen festgestellt, zwei Indikato- ren lagen deutlich unter dem Standard (Note D).

Und wie geht es weiter? Der aktuelle Stand und die Planungen zum urbanen Hochwasserschutz in Köln Von Henning Werker Im Juni und Juli 2021 gab es in Köln drei Starkregenereig- nisse. Die Niederschlagsintensitäten waren so groß, dass die Straßenentwässerungen und die Kanalanlagen die Regen- massen nicht mehr vollständig aufnehmen konnten und es zu großflächigen Überflutungen kam. Dabei war das Ereig- nis vom 14. Juli besonders außergewöhnlich. Üblicherweise sind die sommerlichen Starkregenereignisse relativ kurz und heftig. Sie dauern rund ein bis zwei Stunden und weisen eine Niederschlagsmenge von 40 bis 70 Millimetern auf. Zudem treten sie vergleichsweise kleinräumig auf, wobei es dort regnet, wo die wassergesättigte warme Wolke auf einen kalten Luftstrom stößt. Ursache der Sturzfluten vom 14. Juli hingegen war ein langanhaltend stehendes Tiefgebiet, das über einen großen Ortsbereich hohe Regenwassermengen ergoss — und dies zudem über einen langen Zeitraum. Die Abbildung 1 auf Seite 26 zeigt die räumliche Ausprä- gung der Gewitterfront und ihre Intensität. Das Bild wurde vom Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst erstellt. In braun sind dabei die Niederschlagsmengen von über 100 Millimetern abgebildet. Im Ergebnis führte dies in Köln und in vielen benachbarten Landkreisen dazu, dass alle privaten und öffentlichen Ent- wässerungsanlagen, Gräben, Senken, Rheinnebengewässer und die am Stadtrand verlaufenden Randkanäle stark aus- gelastet waren, zum Teil sogar überlastet. Die durch Dauer- regen wassergesättigten Böden konnten kein Wasser mehr aufnehmen. Die Folge waren Überflutungen, da das Wasser der Geländeneigung folgend sich in den Senken und Tief- punkten sammelte. Viele Straßen wurden zu Wasserwegen.

27 wären konkrete Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie eine Anpassung der bestehenden Satzungen. Die Konsequenzen für eine wassersensible Stadtentwick- lung Ziel des Strategiekonzeptes »Wasserwirtschaftliche Klima- folgenanpassung der StEB Köln« ist es letztendlich, die bestehenden Aktivitäten zur Überflutungsvorsorge mit den Aspekten zur Hitze- und Trockenwettervorsorge zu bündeln. Inhaltlicher Schwerpunkt ist dabei der smarte Umgang mit Niederschlagswasser, um die Auswirkungen der Klimafolgen abzufedern. Somit wird Köln zur »Schwammstadt« (siehe dazu auch Beitrag auf Seite 19 ff.). Klar ist bei alledem, dass die aktuellen Aktivitäten zur Überflutungsvorsorge nochmals weiterentwickelt und er- gänzt werden müssen. Dabei soll der Wasserkreislauf inner- halb des Stadtgebietes möglichst geschlossen bleiben, Störungen sollen auf das unbedingt notwendige Maß redu- ziert werden. Bei allen wichtigen Veränderungen gilt es, die Auswirkungen zu evaluieren und den Prozess kontinuierlich zu verbessern. Bestandteile einer wassersensiblen Stadtentwicklung sind aus Sicht der StEB Köln sowohl eine (de-)zentrale Regenwas- serbewirtschaftung inklusive der Versickerung, Verdunstung und Speicherung von Regenwasser als auch die Entsiege- lung befestigter Flächen (siehe Beitrag auf Seite 19 ff.). Ziel ist es, eine ausgeglichene Wasserbilanz auf den privaten Grundstücken und im öffentlichen Raum zu gewährleisten. Zudem ist der Einsatz von Dach- und Fassadenbegrünungen sinnvoll, um Hitze und Starkregenfolgen abzumindern (siehe Beitrag auf Seite 4 ff.). Die bereits vorhandenen Erfahrungen und Erfolge der StEB Köln bilden ein gutes Fundament, auf dem aufgebaut werden kann. Bei der künftigen Entwicklung sollten neue Ansätze aufgegriffen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für Köln überprüft werden. Die Informations-, Sensibilisierungs- und Motivationsarbeit wird auch in Zukunft ein starkes Engagement erfordern. Einige Ansätze dazu werden in den Beiträgen der aktuellen kompetenz wasser konkretisiert. und der in der Vergangenheit durchgeführten intensiven Gefahren- und Risikoanalysen. Optimierungsbedarf zeig- te sich hingegen bei den Anlagen im Kanalnetz und der Straßenentwässerung. Daher sollen zu allen Pumpwerken kurzfristig Gefahren- und Risikobetrachtungen mit dem Ziel einer Verbesserung der Resistenz und Resilienz gegen mul- tiple Umweltgefahren vorgenommen werden. Gleichzeitig werden die bestehenden Standards zur Funktionsfähigkeit der Straßenentwässerungsanlagen untersucht und Verbes- serungen mit den beteiligten Fachdienststellen abgestimmt. Auch der ökologisch sinnvolle Umgang mit Regenwasser im öffentlichen Raum spielt eine wichtige Rolle: Hier geht es zum Beispiel um die Entwicklung dezentraler Regenwasser- anlagen als Alternative zur Ableitung. Auch hinsichtlich der unternehmensinternen organisato- rischen Regelungen zum Umgang mit Großschadenslagen und Krisensituationen ist in Anlehnung an die Vorgaben bei Rheinhochwasser eine Optimierung geplant. Gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Köln werden Erfordernisse und Möglichkeiten ausgewertet, um besser für zukünftige Stark- regeneinsätze gewappnet zu sein. Hierzu wurden bereits die für Rheinhochwasser entwickelten digitalen Fachsysteme zur Einsatzunterstützung ergänzt. Auch eine aktive Mitwirkung bei der Entwicklung sinnvoller Warn- und Wecksysteme zu Starkregenereignissen ist vorgesehen. Über die Auswertung der Überflutungsereignisse soll eine weitere Verbesserung der Resilienz realisiert werden. Um dies zu erreichen, müssen geeignete Maßnahmen an der Oberfläche und im Kanalsystem umgesetzt werden. Zusätzlich werden in ausgewählten Stadtteilen hydraulische Berechnungen durchgeführt, die die Oberflächenabflüsse ge- koppelt mit den Abflüssen aus dem Kanalsystem erfassen, um aus den Erkenntnissen Musterlösungen zu entwickeln. Die konkreten Planungen werden anschließend mit den städtischen Fachdienststellen abgestimmt. Absehbar ist, dass eine wirksame Risikovorsorge nur mit Beteiligung der Anwohner*innen erfolgen kann. Insofern gelten partizipati- ve Prozesse als Teil der Maßnahmenfindung. Die aktuellen Starkregenereignisse haben gezeigt, wie wichtig die Information und Motivation von Grundstücks- eigentümern hinsichtlich einer funktionsfähigen Grund- stücksentwässerung ist. Dabei geht es sowohl um die Rückstauproblematik als auch um die Dichtheit der Grund- stücksentwässerungen und die Trennung von Regenwasser und Schmutzwasser im Gebäude. Hier braucht es eine inten- sivere Kommunikation, bei der auch Themen wie Entsiege- lung und Versickerung in den Fokus genommen werden und entsprechende Medien bereitgestellt werden. Gleiches gilt für das Vorgehen bei partizipativen Prozessen zur Entwick- lung und Etablierung entsprechender Maßnahmen. Denkbar

29 Abb. 1: Einbindung der Bauwerks-App in die Sanierungsplanung und -dokumentation in novaKANDIS Um dies zu realisieren, ist es zunächst erforderlich, das Da- tenmodell im System zu erweitern, so dass der Level der für diese Aufgabe benötigten Informationen (LOIN) erreicht wird. Da eine Verortung der Schäden hier — anders als bei Haltungen — über eine Stationierung nicht praktikabel realisierbar ist, werden die Informationen zur Lage im Raum über X-, Y- und Z-Koordinaten erfasst. Nicht zuletzt deshalb müssen auch die Bauwerksobjekte im KIS 3D-fähig werden. Um allen Anforderungen gerecht zu werden, ist jedoch nicht nur eine Erweiterung der grafischen Komponente erforder- lich, auch die Datenorganisation als solche muss überarbei- tet und angepasst werden. Die Erfassung der Befunde und Schäden an Bauwerken und Einbauteilen wie Pumpen oder Schiebern kann künftig sowohl an der Workstation im Büro als auch im Rahmen einer Inspektion vor Ort auf einem mobilen Endgerät erfol- gen. Hierzu wird eine App entwickelt, mit der die Schäden erfasst und über GPS-Daten georeferenziert werden können. In Bereichen, in denen das GPS-Signal nicht empfan- gen werden kann — zum Beispiel in Bauwerken, kann der Schaden über Referenzpunkte wie Bauwerksecken und Streckenangaben lagegenau erfasst werden. Bei schwachen GPS-Signalen wird so direkt vor Ort eine Korrektur möglich. Neben alphanumerischen Informationen können den Be- funden auch Fotos und Videos direkt in der App zugeordnet werden. Da unmittelbar im Datenbestand des KIS gearbei- tet wird, werden Systembrüche und mögliche Fehlerquellen vermieden. Durch die Anwendung der BIM-Methode im Bereich der baulichen Sanierung von Sonderbauwerken und ihren Ein- bauteilen sowie von Hochwasserschutzanlagen ist es mög- lich, den bereits sehr hohen Standard von Planung und Dokumentation der Kanalsanierung auf weitere Aufgaben- gebiete auszuweiten und für den internen wie externen Gebrauch automatisiert zu erstellen. Die Bauwerksberichte werden neben alphanumerischen Stammdaten einen Lageplan beinhalten, in dem das Bau- werk mit den betreffenden Befunden dargestellt ist. Zudem liefern sie Informationen über die aktuellste Inspektion so- wie eine Auflistung sämtlicher Schäden mit Fotos, textlichen Hinweisen und Schadensklassifizierungen. Darüber hinaus können auch die erfolgten Sanierungsleistungen durch einen automatisierten Report dokumentiert werden.

31 zu klärenden Abwassermengen auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Hinzu kommt, dass aktuell keine Entleerung der Rohre zwecks Inspektion möglich ist. Diese wären dann nicht mehr auftriebssicher und würden in das Flussbett des Rheins aufschwimmen. Gleichermaßen könnten die Dükerrohre durch Anker der Schiffe beschädigt werden. Da der alte Düker permanent mit Abwasser gefüllt ist, sind Inspektionsarbeiten derzeit nur mit dem Einsatz von Spezialtauchern möglich. Verschiedene Varianten wurden betrachtet In einem Value Management-Verfahren, bei dem mehrere Betreiber von Abwassernetzen größerer Städte mitgewirkt haben, wurden die verschiedenen technischen Möglichkei- ten zur Errichtung eines neuen Rheindükers betrachtet und bewertet. Dabei reichte das Spektrum von der Sanierung des vorhandenen Dükers mittels eines Inliners bis zur Her- stellung eines neuen Rheindükers in offener Bauweise. Auch ein Neubau an anderer Stelle sowie der Transport des Ab- wassers per Schiff über den Rhein und die Anbringung von Leitungen an Brücken der Stadt Köln wurden diskutiert. Das abschließende Ranking ergab, dass der Neubau des Dükers im Rohrvortrieb unmittelbar neben dem Bestands- düker die technisch und wirtschaftlich sinnvollste Variante für die StEB Köln darstellt. Ein wesentlicher Grund dafür ist auch, dass alle Sammler des linksrheinischen Köln an der Stelle des bestehenden Dükeroberhauptes zusammenlaufen. Für die Planung wurde eine Vortriebslinie südlich der vorhandenen Trasse des Bestandsdükers gewählt. Aus der dortigen Bodengeologie zweier Erdschichten (Quartär und Tertiär) resultierte eine Tiefenlage des neuen Dükers von 7 bis 17 Metern unter der Rheinsohle. Ziel war es, den Vortrieb nicht auf der gesamten Länge durch die Trenn- linie zwischen Quartär und Tertiär aufzufahren, um den bautechnischen Aufwand nicht zusätzlich zu erhöhen. Ausschlaggebend für die Festlegung der Tiefe waren auch die Vorgaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes und des Kampfmittelräumdienstes sowie die notwendigen Gefälle der neuen Dükerrohre. Die gesamte Vortriebslänge beträgt rund 940 Meter. Aufgefahren werden zwei Rohre mit einem Innendurchmesser von jeweils DN 3200 und DN 2000. Die Vortriebsgradienten sind sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen mit einem Radius von 2000 Metern gekrümmt. Dabei werden in das größere Rohr, das einen Innendurch- messer von DN 3200 hat, weitere GFK-Rohre zur Abwas- serentsorgung eingezogen. Diese haben wiederum einen Innendurchmesser von DN 1100 und DN 1400. Zusätzlich Abb. 1: Übersichtsplan zum Dükerneubau

33 technischer Ausrüstung sowie Schieberplatten und deren Antrieben aufgrund der beengten Platzverhältnisse bautech- nisch sehr aufwändig sind. Der Baugrubenverbau wird hier ebenfalls mit überschnittenen Bohrpfählen hergestellt. Eine weitere Herausforderung liegt in der provisorischen Umlei- tung der anfallenden Abwassermengen um die Anschluss- stelle herum. Dabei soll das Wasser über einen sogenannten ›Bypass‹ in den dann noch im Betrieb befindlichen Bestands- düker geleitet werden. Auflagen müssen beachtet werden Die Bauflächen für das Dükerunterhaupt und den MID- Schacht (Startbaugrube) befinden sich in einem Land- schaftsschutzgebiet, der Inspektionsschacht liegt in der rechtsrheinischen Aue und damit im Naturschutz- und Überschwemmungsgebiet. Daher sind hier in der Bauphase die Auflagen des Landschafts- und Naturschutzes sowie des Hochwasserschutzes zu beachten, vor allen Dingen unter dem Aspekt des zu erwartenden Bedarfs an Baustellen- einrichtungsflächen. Zudem müssen zahlreiche Transporte abgewickelt werden, zum Beispiel Rohrtransporte und die Transporte des Erdaushubs. Die dazu notwendigen Verkehrskonzepte für die Stadt- teile Stammheim und Niehl wurden eng mit der Stadt Köln abgestimmt. Auch Einwände der Bürgerschaft bezogen die StEB Köln nach Möglichkeit ein, dabei ging es insbesondere um eine Sperrung des Niehler Damms, die im ländlich ge- prägten Ortskern von Niehl zu einigen Verkehrsumleitungen führt. Hierzu wurden im Vorfeld Bürger*innenversammlun- gen durchgeführt, zudem fand ein enger Austausch mit dem Niehler Bürgerverein statt. Abb. 5: 3D-Darstellung des Inspektionsschachtes zum Inspektionsschacht und dem Schieber-/Aufteilungsbau- werk inklusive Anschluss an den linksrheinischen Kanal- bestand. Der Anschlusskanal an den Zulauf zum Großklär- werk Stammheim wird im Schutz eines Spundwandverbaus ebenfalls in Stahlbetonbauweise errichtet. Nachdem diese Arbeiten abgeschlossen sind, steht die maschinen- und elek- tronische Ausstattung des neuen Dükers an. Dies umfasst beispielsweise die Schieber mit Antrieben und die messtech- nischen Ausrüstungen zur Bestimmung des Durchflusses. Das Betriebsgebäude des derzeitigen Dükeroberhauptes wird weiter genutzt, um die technischen Anlagen unterzu- bringen. Zudem werden von dort aus unterirdische Gänge errichtet, um den Zulaufbereich, das neue Dükeroberhaupt und das Schieber-/Aufteilungsbauwerk zu erreichen. Zu Inspektionszwecken und aus Betriebsgründen fiel die Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich nach derzeitigen Kostenschätzungen auf rund 110 Millionen Euro. Zeitplanerisch soll die Erstellung der notwendigen Baugru- ben und der beiden Rohrvortriebe einschließlich des Einzugs der GFK-Rohre innerhalb von zwei Jahren erfolgen. Der Bau der Stahlbetonbauwerke und die maschinentechnische und elektrotechnische Ausrüstung werden dann weitere drei Jahre in Anspruch nehmen. Die Inbetriebnahme ist für Ende des Jahres 2027 vorgesehen, so dass der alte Düker nach fast einem Jahrhundert ersetzt werden wird. Entscheidung für den Bau eines Inspektionsschachtes am Tiefpunkt des neuen Dükers. Über diesen können die anfal- lenden Inspektions- und Reinigungsarbeiten durchgeführt werden. Der Schacht wird so ausgerüstet, dass eine Entlee- rung der zu inspizierenden Röhre in eine andere Röhre ermöglicht wird. Hierzu wird das Abwasser in einen Sedi- mentationsschacht innerhalb des Inspektionsschachtes geleitet und in eines der anderen Dükerrohre gepumpt. Das anfallende Sediment der Rohrentleerung wird auf der Sohle des Schachtes gesammelt und mittels eines Seilbaggers ausgebaggert. Eine besondere technische Herausforderung stellt der Um- schluss der vor dem Dükeroberhaupt liegenden Abwasser- sammler aus dem linksrheinischen Köln dar. Die Sammler liegen alle im Bereich des Schulhofes, so dass der Bau des Schieber-/Aufteilungsbauwerkes und der Einbau von

35 und des Vergabevermerkes in einem sogenannten unechten Workflow das Dokumenten-Management-System der StEB Köln (DMS) genutzt. Der Workflow läuft nunmehr über E-Mail, wobei die Dokumentation in den dort eingestellten Bedarfsprüfungsbögen und Vergabevermerken vorgenommen wird. Die internen Genehmigungen erfolgen über die im DMS implementierten Stempelfunktion, sie erlauben einen Rückschluss auf die handelnden Personen. Auf diese Art und Weise wird auch das Vier-Augen-Prinzip sichergestellt. Die Vorteile sind vielfältig. Neben dem Wegfall des Aus- druckens und analogen Versendens der Dokumente, der sich gerade in Zeiten des Homeoffice als gewinnbringend erwiesen hat, können alle an dem Prozess Beteiligten sich bei Bedarf schnell einen Überblick über den aktuellen Be- arbeitungsstand verschaffen. Zugleich wurden die Vergabe- vermerke anwendungsfreundlicher gestaltet, für alle bei den StEB Köln gebräuchlichen Vergaberechtsfälle wurde ein eigener Vergabevermerk erstellt. Die insgesamt 32 Vermerke enthalten jeweils nur noch die für eine spezielle Vergabe- art notwendigen Bearbeitungsschritte, Informationen und Dokumentationsverpflichtungen. Sie erfüllen nicht nur die Vorgaben zur Dokumentation einer Vergabeentscheidung, sondern dienen darüber hinaus auch als Arbeitshilfen, da sie den Vergabeprozess chronologisch abbilden. Für die Auswahl des richtigen Vergabevermerkes gibt es im Intranet der StEB Köln (StEBnet) einen aus drei Stufen bestehenden Entscheidungsbaum. Um das Verfahren zu vereinfachen, wurden die einzelnen Entscheidungspunkte durch vergabe- rechtliche Erläuterungen ergänzt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass mit der Ein- führung der beiden praxisbezogenen Bausteine zur Freigabe und Dokumentation bei der Abwicklung von Ausschreibun- gen ein weiterer Schritt in der digitalen Entwicklung der Prozesse vollzogen wurde. Obwohl dabei auch die letzten Medienbrüche geschlossen werden konnten, wird es mit Sicherheit nicht der letzte Schritt auf dem Weg des digitalen Wandels bei den StEB Köln bleiben. Handelskammertages (DIHK) und des Verbandes der kom- munalen Unternehmen (VKU) als Beispiel für eine erfolgrei- che digitale Umstellung des Vergabewesens. Die durch die Digitalisierung frei gewordenen personel- len Kapazitäten und die unterschiedlichen Möglichkeiten der eVergabe ließen neben Kosteneinsparungen auch eine Erweiterung der Services der Submissionsstelle zu. Beispiel- haft seien hier die früher noch auf dem Postweg erledigten Absagen an die nicht erfolgreichen Bieter*innen sowie der Schriftverkehr bei einer notwendig werdenden Verlängerung der Bindefrist genannt. Sie laufen inzwischen komplett über die eVergabe. Das trägt nicht nur zur weiteren Vervollstän- digung der digitalen Standardisierung des Beschaffungs- prozesses bei den StEB Köln bei, es erhöht zugleich auch die Rechtssicherheit. So können die Maßnahmen im Bedarfsfall in der bei jeder Ausschreibung erzeugten und im Dokumen- ten-Management-System (DMS) der StEB Köln archivierten digitalen Vergabeakte nachvollzogen werden. Während die Prozesse von der Veröffentlichung und An- gebotseinholung bis zu den Absagen an die nicht erfolgrei- chen Bieter*innen bereits seit Jahren digital über die eVer- gabe erfolgen, wurden interne Vergabeverfahren bislang zum Teil noch über den Postweg abgewickelt. Vor allem bei der grundsätzlichen Freigabe (Bedarfsprüfung) einer Maßnahme durch die jeweils Verantwortlichen und bei der Dokumentation der Vergabeentscheidung kam es dabei zu Medienbrüchen. Prinzipiell ist bei jeder anstehenden Beschaffung der StEB Köln vorab ein Bedarfsprüfungsbogen zu erstellen, der die Prüfung des Bedarfs, die Auswahl des Vergabever- fahrens und die Genehmigung der jeweils Verantwortlichen dokumentiert. Dazu müssen gemäß Vergaberecht und Dienstanweisung Beschaffung beispielsweise die Ergebnisse der einzelnen Schritte und die jeweiligen Entscheidungen bei einer Aus- schreibung und Vergabe dokumentiert werden. Diese beiden Dokumente mussten lange Zeit ausge- druckt, größtenteils per Hand ausgefüllt und von den zum Teil räumlich und geographisch getrennten Verantwort- lichen abgezeichnet werden. Der Transport zwischen den beteiligten Stellen erfolgte über die Hauspost, was stets das Risiko einer Zeitverzögerung oder des Verlustes von Doku- menten beinhaltete. Lückenlose Prozessabwicklung Aktuell konnte mit der Aufhebung der bisherigen Medien- brüche die letzte Lücke im Prozess geschlossen werden. Seit Februar 2021 wird für die Bearbeitung der Bedarfsprüfung

In den öffentlichen Kanalnetzen fließt das anfallende Ab- wasser der Gravitation folgend im Freigefälle ab. Vergleichs- weise wenige Betriebspunkte benötigen elektrische Energie. Lediglich Schieber, Pumpwerke und Messstationen sind auf Fremdenergie angewiesen. Bei einem stadtweiten Stromaus- fall ist damit zu rechnen, dass diese Anlagenteile nicht mehr elektrisch betrieben werden könnten. Als abzusicherndes Er- eignis wird dabei in Absprache mit der Feuerwehr ein stadt- weiter Stromausfall über maximal 72 Stunden angesehen. Ziel der Absicherung in einem derartigen Fall wäre es, dass keine Personenschäden entstehen, die Umwelt so wenig wie möglich gefährdet wird und die umzusetzenden Maßnahmen Blick in die Leitwarte der Kläranlage Weiden verhältnismäßig und der Seltenheit des Ereignisses ange- messen sind. Die Schieber könnten bei einem Ausfall der Stromversor- gung im Notfall mittels Drehanlagen von Hand geschlossen oder geöffnet werden. Daher würde hier nicht unbedingt eine Notstromversorgung benötigt. Auch bei der eingesetz- ten Messtechnik ließe sich ein mehrtägiger Ausfall verkraf- ten. Anders ist die Situation bei einem Ausfall der Pumpan- lagen, da dann die Förderung und Ableitung des Abwassers problematisch würde. Da der Anfall an Abwasser jedoch weiterhin gegeben wäre, könnte sich das Abwasser auf- stauen und im Extremfall für eine Überflutung der Gebäude im angeschlossenen Einzugsgebiet sorgen. Um dies zu vermeiden, wurde in einem ersten Schritt ein Sicherheitsstandard für die Energieversorgung der Kölner Pumpanlagen entwickelt. Dieser sieht die Einteilung der Pumpanlagen in unterschiedliche Kategorien entsprechend der drei wesentlichen Pumpwerkstypen Hochwasserpump- werk (HWP), Mischwasserpumpwerk (MWP) und Regenwas- serpumpwerk (RWP) vor. Je nach Kategorie unterscheidet sich die technische Ausstattung mit Netzersatzanlagen zur Energieversorgung bei Stromausfall. Sie orientiert sich an der Bedeutung der Anlage, die aus deren Förderleistung sowie der Größe der angeschlossenen Einzugsgebiete oder der entsprechenden Einwohnerzahl resultiert. 37 An besonders wichtigen Pumpanlagen sind demnach statio- näre Netzersatzanlagen vorgesehen. Weniger bedeutende Anlagen können temporär durch mobile Pumpen ersetzt oder alternativ über mobile Netzersatzanlagen weiterbe- trieben werden. In begründeten Fällen kann zudem eine Einzelfallbetrachtung über eine Einordnung der Anlage und somit über die erforderliche technische Ausrüstung entschei- den. Die Kategorien wurden hausintern abgestimmt und für jeden der drei Pumpwerkstypen dokumentiert. Die entwickelten Standards finden sowohl bei der Pla- nung von neuen Pumpanlagen als auch bei turnusmäßig durchgeführten Sanierungsbetrachtungen Anwendung. Zukünftig sollen dabei auch unterschiedliche Lastfallszena- rien einbezogen und Handlungsprogramme für ein Betan- kungskonzept der stationären Netzersatzanlagen entwickelt werden. Unterschieden wird zwischen drei Ausgangszustän- den, deren Eintreten oder Überlagerung als wahrscheinlich angenommen werden kann: einem Stromausfall bei Trocken- wetter, bei einem lang andauernden Landregen sowie bei der Überlagerung mit einem Hochwasserereignis. Wie Kläranlagen und Betriebsgebäude krisenfest werden können Neben dem Kanalnetz wären natürlich auch die Kläranla- gen und Betriebsgebäude der StEB Köln von einem länge- ren Stromausfall betroffen. Daher ist es erforderlich, die vorhandenen Notstromkonzepte zu überarbeiten, da diese bislang eher kürzere und örtlich begrenzte Stromausfälle betrachten. Angestrebt wird die Erstellung eines Notstrom- Gesamtkonzeptes, das alle Betriebsstätten einbezieht, um so die Ableitung und Reinigung des Abwassers bei einem flächendeckenden und langen Stromausfall weitestgehend gewährleisteten zu können. Dies geschieht auf Basis einer für die einzelnen Betriebs- bereiche durchgeführten Risikoanalyse. Sie wird für das kom- plette Unternehmen erstellt und fließt anschließend in das Abb. 1: Einteilung DWA-Merkblatt (Quelle: DWA-Arbeitsgruppe KEK 7.6)

Mehr erneuerbare Energien Eine Potenzialanalyse zur ökologischen und ökonomischen Optimierung des Betriebs eines Großklärwerks durch energetische Flexibilisierung Von Jonas Bachnick, Dr. Kevin Kotthaus, Dr. Joachim Vasen, Dr. Ergün Yücesoy, Prof. Markus Zdrallek und Erik Zipperling Die StEB Köln setzen sich für eine gesunde Umwelt und eine hohe Lebensqualität in der Stadt Köln ein. Ein zentrales Ziel ist dabei die Dekarbonisierung der urbanen Wasserwirt- schaft. Vor diesem Hintergrund wurden in der Kurzstudie FlexStEB gemeinsam mit Forschenden des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgung der Bergischen Universität Wuppertal energetische Flexibilisierungspotenziale im Groß- klärwerk Köln-Stammheim (GKW Stammheim) identifiziert. Diese können dazu beitragen, den Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Energiesystem zu erhöhen. Mit der Transformation hin zu einem erneuerbaren Ener- giesystem steht ein Paradigmenwechsel in der Anlagen- und Betriebsführung von Klärwerken bevor. Bisherige Optimie- rungen haben neben Effizienzsteigerungen vor allem darauf abgezielt, den Eigenversorgungsgrad der Standorte zu maximieren. In Zukunft hingegen wird die Bereitstellung energetischer Flexibilität als weiterer gesellschaftlicher Nutzen hinzukommen. In der besonderen Rolle als große Verbraucher und gleichermaßen große Erzeuger haben die Unternehmen der Wasserwirtschaft immense Potenziale, den Zeitpunkt der eigenen Erzeugung und des eigenen Ver- brauchs an äußere Umstände anzupassen. Derartige Flexi- bilitätsoptionen sind eine Voraussetzung für das Gelingen einer bezahlbaren Energiewende. Damit das elektrische Energiesystem stabil bleibt, muss zu jedem Zeitpunkt gleich viel Energie eingespeist wie ver- braucht werden. Im konventionellen Energiesystem wurde die Erzeugung des Kraftwerksverbunds stets auf den prog- nostizierten Verbrauch eingestellt. Dies ist bei Wind- und Solarkraftwerken in diesem Ausmaß nicht möglich, so dass

41 Das 2012 in Betrieb genommene Blockheizkraftwerk auf dem Gelände des GKW Köln-Stammheim sorgt für mehr Effizienz in der Energiegewinnung. zweite Option wurde ein 24-Stunden-Speicher abgebildet, wobei in beiden Szenarien kein tagesübergreifender Auf- stau zugelassen wurde. Die wirtschaftlichen Betrachtungen basierten auf einem festen Strompreis. Deutlich wurde, dass im kostenoptimierten Betrieb mit 24-Stunden-Speicher durch die Vermarktung von Flexibilitä- ten 7,5 Prozent der Kosten und 11,6 Prozent der Emissionen eingespart werden könnten. Mit dem kleineren Zwei-Stun- den-Speicher wäre es möglich, 4,5 Prozent beziehungsweise 9,4 Prozent einzusparen. Die angegebenen Zahlen sind eine ideale Benchmark, da im Realbetreib Prognosen eigener und externer Einflüsse oftmals fehlerbehaftet sind. Die Ergebnisse der Kurzstudie legen nahe, sich weiterfüh- rend mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dazu empfiehlt die Bergische Universität Wuppertal, bei künftigen Anlagen- planungen Flexibilitätsoptionen von vornherein mitzuden- ken. Sekundärziel der Betriebsführung nach der Abwasserrei- nigung könnte es sein, durch flexibles Verhalten möglichst viele Emissionen im Energiesystem einzusparen. Dabei ließe sich durch den Verkauf von Flexibilität als Dienstleistung zugleich die Wirtschaftlichkeit des Betriebes steigern, ohne den Reinigungsprozess negativ zu beeinflussen.

43 zeigte sich, dass die gelieferten Co-Substrate bezüglich ihrer Schadstoffbelastung unbedenklich sind. Auch eine zu starke Rückbelastung durch das anfallende Prozesswasser konnte ausgeschlossen werden. Der Versuchsbetrieb machte deut- lich, dass durch die Einnahmen für die Entsorgungsdienst- leistung und den gesteigerten Gasertrag ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist. Ausbau sorgt für noch bessere Bilanz Aufgrund der positiven Erfahrungen im Versuchsbetrieb wurde der Dauerbetrieb beantragt. Doch damit nicht genug: Die genehmigte Annahmemenge wurde auf maxi- mal 50 000 Tonnen pro Jahr erhöht. Mit der angestrebten Erweiterung soll es sogar möglich sein, bis zu 2200 Tonnen CO2-Equivalent jährlich einzusparen. Davon erhoffen sich die StEB Köln eine spürbare Reduzierung ihrer CO2-Gesamtemis- sionen. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, startete im April 2021 der Ausbau der Co-Substratannahme. Dazu wird eine zweite Annahmestrecke errichtet, so dass perspektivisch zwei Anlieferungen gleichzeitig abgewickelt werden können. Um einen LKW-Stau auf dem Gelände zu vermeiden und den Liefervorgang zügig abzuwickeln, wird die Verkehrsführung so angepasst, dass eine Art Kreisver- kehr entsteht. Drei neue Pufferbehälter mit jeweils 140 Kubikmetern Fassungsvermögen sorgen nicht nur dafür, dass die Co-Substrate gleichmäßig in die Faulung gegeben werden können, sondern auch dafür, Betriebsunterbrechun- gen durch Wartungsarbeiten gering zu halten. Zugegebenermaßen erforderte der Austrag von Störstof- fen aus der Anlage bislang viel unangenehme Arbeit. Des- halb wird die neue Anlage mit einem zeitgemäßen Cleaning in Place-System ausgestattet. Über fest verbaute Tankrei- nigungsdüsen werden die Behälter regelmäßig von innen gesäubert, ohne dass sie dafür geöffnet werden müssen. Die abgelösten Stoffe werden anschließend über den Be- hälterboden in spezielle Auffangbehälter abgelassen und entsorgt. Indem regelmäßig heißes Wasser durch die Anlage zirkuliert, werden hartnäckige Fettablagerungen im Rohrlei- tungssystem vermieden. Neben einer erhöhten Anlagenver- fügbarkeit wird so die bei den Reinigungsarbeiten auftreten- de Geruchsbelästigung auf ein Minimum reduziert. Gemeinsam mit dem Betrieb wurde ein neues Modulge- bäude zur optimalen Planung der Koordination der Liefe- rungen und der Verarbeitung von Rückstellproben geplant. Künftig werden noch energiereichere Abfälle angenommen, die jedoch geringe Anteile von Mikroplastik enthalten können. Damit dieses nicht in den Abwasserkreislauf der Anlage gerät, wird in einem weiteren Projekt eine neue Filtrationsanlage für das Prozesswasser der Schlammentwäs- serung konzipiert. Mit den beschriebenen Maßnahmen kann die CO2-Bi- lanz der StEB Köln weiter optimiert werden, obwohl bereits heute bilanziell 100 Prozent der im Klärwerk genutzten Energien regenerativ erzeugt werden. Das liegt zum einen daran, dass die Klärgasproduktion und der Klärgasbedarf zur Stromproduktion nicht jederzeit gleich sind. Übersteigt der Bedarf die Produktion kurzzeitig, muss dennoch Fremd- strom oder Erdgas bezogen werden. So kann eine erhöhte Klärgasproduktion zur Verbesserung der Situation beitragen. Zum anderen kommt auch ein neuer Aspekt zum Tragen: Wo bis vor kurzem der Eigenversorgungsgrad das wichtigste Kriterium war, rückt mit dem Voranschreiten der Energie- wende ein netzdienliches und flexibles Verhalten stärker in den Vordergrund. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Co-Substrate nicht das einzige Mittel, um die Energie- versorgung des GKWs zukunftsfähig zu machen. Vielmehr bettet sich das Erweiterungsprojekt in ein umfassendes Energiekonzept ein. Da die Klärgasproduktion in Zukunft den Eigenbedarf übersteigt, wird eine Klärgasaufbereitungsanlage errichtet, um Überschüsse in das Erdgasnetz einzuspeisen. So kann das im GKW erzeugte Biomethan an anderen kommunalen Standorten fossiles Erdgas ersetzen. Gemeinsam mit dem geplanten Ausbau der Photovoltaikanlagen lässt sich das Potenzial sogar noch weiter heben, denn je mehr Photovol- taikstrom auf dem Gelände des GKWs genutzt wird, desto mehr Klärgas steht für die Aufbereitung zur Verfügung. Neben den technischen Verbesserungen stehen in den nächsten Monaten auch andere Herausforderungen auf der Agenda. So muss das Akquisemanagement an die ver- änderten Möglichkeiten angepasst werden. Das bedeutet, dass die Erzeuger biogener Abfälle oder ihre beauftragten Entsorgungsunternehmen auf die Erhöhung der Mengen- kontingente, den verbesserten Service und die zusätzlichen Optionen der Annahme von Speiseresten aufmerksam ge- macht werden müssen. Hinzu kommt, dass die Co-Substrat- annahme sehr personalintensiv ist. Exemplarisch wird dies am Beispiel der Qualitätskontrolle der gelieferten Abfälle deutlich. Sie stellt sicher, dass keine prozessschädigenden Stoffe eingebracht werden. Ähnliches gilt für die Durchfüh- rung und Überwachung des Anlieferprozesses. Die hierfür zuständige Organisation muss entsprechend aufgestellt sein, um die Qualität der Leistung für die Lieferanten zu gewährleisten. Erst dann kann langfristig sichergestellt werden, dass die gewünschte Menge an Abfallstoffen an- genommen und der entsprechende Gasertrag erzeugt wird. Damit wird ein klimaförderlicher Beitrag zur Verdrängung der fossilen Brennstoffe in der Stadt Köln geleistet.

45 Mischwasserfall hingegen treten noch Fehler auf. Diese lassen sich vornehmlich auf die aktuell noch rudimentäre Niederschlagsprognose zurückführen. Folglich soll in einem nächsten Schritt die Einschätzung des erwarteten Nieder- schlagsvolumens weiter verbessert werden. Vielzahl von Zeitreihen aus. Als Haupteigenschaften in funk- tionaler Hinsicht gelten ihre Universalität, Schnelligkeit und Robustheit. Im Vergleich zu bereits existierenden Ansätzen ermöglichen sie darüber hinaus eine signifikante Verbesse- rung der Datengrundlage. Verlässliche Daten und erste Erfolge Künstliche Intelligenz optimiert Abläufe . Wichtig dabei ist: Um basierend auf der Zuflussprognose Anlagenteile automatisch auf die kommenden Wassermen- gen, Rechengut-, Sand- und Schlammlasten sowie Nährstoff- frachten vorzubereiten, müssen die Basisdaten verlässlich sein. Diesbezüglich arbeiten die StEB Köln zurzeit an einer Betriebsdatenplausibilisierung und -anomaliedetektion. Mit Hilfe von Algorithmen sollen so sowohl Messfehler aufgrund von Sensorausfällen oder Sensordrift als auch Betriebsano- malien — zum Beispiel durch den Ausfall einer Pumpe oder einer Überlastung des Rechens — erkannt und klassifiziert werden. Erste Erfolge auf diesem Weg konnten bereits erzielt werden. So wurden Algorithmen entwickelt, mit denen es möglich ist, eine ganze Bandbreite an Zeitreihen automa- tisiert und ohne Vorwissen aufzubereiten. Ereignisse wie Signalausfälle oder punktuelle und in der Regel extreme Fehlmessungen werden durch einen rein datengetriebenen Ansatz bereinigt. Die Verfahren zeichnen sich durch ihre Echtzeit-Fähigkeit und dynamische Anpassbarkeit an eine Grund für die hohe Passgenauigkeit ist die Ausnutzung der Kanalnetzdaten als externe Regressoren. Perspektivisch sollen ganze Reinigungsschritte anhand von Daten model- liert und mit Hilfe von Prognosen dahingehend optimiert werden, dass konkrete Handlungsempfehlungen abgelei- tet werden können. Dazu sind unterschiedliche Szenarien vorstellbar. Der Umfang der realisierbaren Maßnahmen wird letztlich von der Verlässlichkeit der einzelnen Modelle abhängen. Als mögliche Einsatzfelder des maschinellen Lernens eig- nen sich beispielsweise die Kanalbewirtschaftung sowie die mechanische und biologische Reinigung auf den Klärwer- ken. Auch im Schlammbereich und bei der Energieerzeu- gung lassen sich Verbesserungen durch den Einsatz künstli- cher Intelligenz erreichen. Die Ergebnisse des Forschungsvor- habens werden zeigen, an welchen Stellen ein Eingriff Sinn macht und wo eine Handlungsempfehlung mit Freigabe oder gar automatischer Anpassung des Verfahrens möglich ist. Künstliche Intelligenz Maschinelles Lernen Vertieftes Lernen Technologien, die es Computern ermöglichen, menschliche Intelli- genz nachzuahmen Maschinen verbessern sich bei gegebenen Aufgaben mittels Erfahrung/hist. Daten Maschinen trainieren sich selbst durch den Einsatz von tiefen neuronalen Netzwerken mit mehreren Schichten Abb. 1: Abstufungen von künstlicher Intelligenz

47 und zeitgemäß renovierte Werkstatträume sowie ein eigener Lagerraum zu Verfügung. Moderne Räume für die Ausbildung Das Zentrum des Hauptraumes bildet eine Werkbankinsel aus sechs modernen, elektrisch höhenverstellbaren Werk- bänken mit Elektro- und Druckluft-Ausstattung. Für Schu- lungszwecke wurde zudem ein gut ausgestatteter Messplatz angeschafft. Ein Löt-Platz, zusätzliche Werkbänke sowie Schubladen und Schränke für Werkzeug, eine Standbohrma- schine und eine Krananlage komplettieren das Angebot. Der Hauptraum grenzt unmittelbar an die Arbeitsplätze des Ausbildungsleiters und des Betriebselektronikers an und ist mit diesen durch ein neu geschaffenes Sichtfenster verbunden. Der zweite Raum bietet zusätzlich sechs Arbeits- plätze und einen modernen, interaktiven Bildschirm für die Schulung der Auszubildenden. Durch schallabsorbierende Deckenelemente konnte hier eine angenehme Raumakustik erreicht werden. Beide Räume verfügen über eine eigene Handwaschgelegenheit, die vorhandene Beleuchtung wurde komplett durch LED ersetzt und auf die Nutzung abge- stimmt. Im Betriebslager konnte durch das Versetzen eines beste- henden Rollregals Platz für einen neuen Trockenbau-Lager- raum zur alleinigen Nutzung durch die Elektroniker*innen gewonnen werden. In der Kassettendecke dieses Lagerraums sorgt ein zentrales Lichtgitter für den Einfall von Tageslicht. Ringförmig angeordnete Einbauleuchten gewährleisten eine gute Ausleuchtung bei Dämmerung. Auch die gemeinsam durch den Betrieb und die Ausbildungsstätten genutzten Sanitärräume wurden aufgestockt. Zusätzlich wurden ein neuer Unterrichtsraum und zwei Pausenbereiche zur gemein- samen Nutzung geschaffen. Die Kosten für den Umbau und die Einrichtung der ins- gesamt 140 Quadratmeter umfassenden Räumlichkeiten be- liefen sich auf rund 173 000 Euro. Eine Investition, die sich gelohnt hat, denn die neue Ausbildungsstätte zeichnet sich durch ihre persönliche Atmosphäre und durch kurze Wege aus. Entstanden ist ein ruhiges und angenehmes Arbeitsum- feld mit Raum für Kreativität. Ein weiterer Vorteil ist, dass die zentrale Lage auf dem Werksgelände, die Mitnutzung der zusätzlichen Werkbänke durch die Betriebsschlosser*in- nen und nicht zuletzt die benachbarte Ausbildungsstätte der Fachkräfte für Abwasserwirtschaft vielfältige Möglich- keiten zum Austausch bieten. »Der eine braucht Schrauben, der nächste fragt nach der Funktion einer Schaltung, die der Azubi gerade aufgebaut hat, und lernt beiläufig auch die Funktion einer Stern-/Drei- eckschaltung kennen«, unterstreicht Ausbildungsleiter Ben Bernardy und fügt hinzu: »Man sieht, dass die Planung und Realisierung der neuen Ausbildungsstätte in enger Zusam- menarbeit mit den Nutzer*innen erfolgt ist. Diese hatten die Möglichkeit, ihre Wünsche und Vorstellungen einzubrin- gen. Das Ergebnis lässt kaum einen Wunsch offen.« Was machen eigentlich Elektroni- ker*innen für Betriebstechnik? Ausbildungsberufe bei den StEB Köln Elektroniker*innen für Betriebstechnik planen und installieren elektrische Geräte und Anlagen und nehmen diese anschließend in Betrieb. Die fachgerechte Reparatur und Wartung der Anlagen und die Konfiguration und Programmierung von Steuerungen gehört ebenso zu Ihren Aufgaben wie das Sicherstellen der Stromversorgung von Motoren, Steuerungen und Beleuchtungen der Kläranlage. Weitere Infos zu den Ausbildungsberufen der StEB Köln finden Sie unter www.steb-koeln.de/karriere Umwelttechnische Berufe • Fachkraft für Abwassertechnik (m/w/d • Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice (m/w/d) • Wasserbauer (m/w/d) Technische Berufe • Industriemechaniker (m/w/d) • Geomatiker (m/w/d) • Elektroniker für Betriebstechnik (m/w/d) Kaufmännische Berufe • Fachkraft für Lagerlogistik (m/w/d) • Dualer Student Wirtschaftsinformatik (m/w/d) • Industriekaufmann (m/w/d)

49 Oma Klara verabschiedet sich … vorerst Seit Ende 2020 war Oma Klara das Gesicht der Sensibilisie- rungskampagne »Ganz klar Köln«. Die Botschaft der Kam- pagne lautete, dass jede*r durch einen verantwortungsbe- wussten Umgang mit Arzneimitteln dazu beitragen kann, die Menge der schädlichen Wirkstoffe im Wasser zu ver- ringern und so aktiv Umwelt und Gewässer zu schützen. Oma Klara hat dazu knapp ein Jahr lang in verschiedenen Medien regelmäßig Tipps und Infos gegeben — nun sagt sie zumindest vorerst »Tschö«. Teilstück des Römerkanals StEB Köln adoptieren Teilstück des Römerkanals Die StEB Köln haben zum Weltwassertag 2021 ein Teilstück der römischen Eifelwasserleitung auf ihrem Betriebsgelän- de in Köln-Merheim eingeweiht. Das Teilstück N 9 ist eine Dauerleihgabe des Land NRW, vertreten durch die Bezirks- regierung Köln. Es wurde eigens auf dem Gelände der StEB Köln installiert. Dabei stellt der Römerkanal ein Symbol für den Wasserkreislauf und das Traditionsbewusstsein der StEB Köln dar, denn die Sicherung eines intakten Wasser- kreislaufs ist eine Kernaufgabe des Unternehmens und der Maßstab für dessen nachhaltiges Handeln. Am Wert des Wassers und seiner Qualität arbeiten alle Mitarbeitenden Tag für Tag. »Mach nicht irgendwas. Mach Wasser« Die Suche nach Auszubildenden und somit Nachwuchskräf- ten wird auch für die StEB Köln zu einer immer größeren Herausforderung. Um potenzielle Auszubildende über die verschiedenen Möglichkeiten im Unternehmen zu informie- ren, setzen die StEB Köln verstärkt auf Bewegtbilder in den sozialen Medien und auf ihrer Website. Dazu wurden mit dem Slogan »Mach nicht irgendwas. Mach Wasser.« kurze Recruiting-Videos produziert. Sie zeigen beispielsweise, wie der Arbeitsalltag während einer Ausbil- dung bei den StEB Köln aussieht. Auf dem YouTube-Kanal und in den sozialen Medien geben Auszubildende darüber hinaus Einblick in ihre Tätigkeiten und die Zusammenarbeit der verschiedenen Sparten bei den StEB Köln. www.youtube.com/StEBKoeln www.instagram.com/steb.koeln www.facebook.com/steb.koeln